Titel: Unerreichbar nah
Autor: Whisper
Teil: 10/11

Genre: Fantasy
Rating: MA
Copyrights: Alles meins! Selbst drüber staun!
Warnung: [angst] [violence] angedrohtes [rape][death] und [Inzest], dann fehlt noch RIESENCliffhanger und FOLTER!!!! ^^
Kommentar: Meine Debutstory!......ein Wechselbad der Gefühle! *eg*
Feedback: Ich bin der Feedbackfresser...und ich hab HUNGER! *knurr*

"blabla" Gesprochenes
,blabla' Gedanken
,Wort' Betonung
/blabla/ Erinnerung


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Rotes Mondlicht auf reflektierendem Spiegelglas.
Sehnsucht und Verlangen zum Greifen nah.
--- Unerreichbar nah ---

UNERREICHBAR NAH

19.Fremder

Pünktlich zum Einbruch der Dämmerung nahm ich am nächsten Abend wieder meinen angestammten Platz vor dem Spiegel ein. Entgegen jeder Vernunft hoffte ich tief im Inneren auf das Unmögliche. Seufzend machte ich es mir auf einem Kissen bequem und stellte mich auf eine weitere lange Nacht des Grübelns ein.
Ich konnte ihn einfach noch nicht loslassen.
Vor meinen Augen wandelte sich die schimmernde Glasfläche wieder zum Abbild von Xela's Zelle und trotz besseren Wissens hielt ich nach seiner vertrauten Gestalt Ausschau. Ich fand ihn zu meinem großen Erstaunen in den Schatten unter dem vergitterten Fenster kauernd vor. Die Dunkelheit schien ihn regelrecht absorbiert zu haben so sehr verschmolz er mit ihr. Einzig sein helles Haar verriet seine Anwesenheit. Vor Freude setzte mein Herz einen Schlag lang aus, nur um dann umso schneller pochend einzusetzen. Illusion oder Wirklichkeit? Bildete ich ihn mir in meinem Wunschdenken etwa nur ein?
Nun das ließ sich herausfinden!
"Xela! Mein Gott, was hab ich mir Sorgen gemacht! Wo zum Teufel warst du bloß gestern Nacht?", rief ich ihm fröhlich entgegen. Keine Reaktion. Nicht mal ein Wimpernzucken. Schlief er etwa?
"Hey Xela! Hallo?", versuchte ich es erneut. Perplex hob er den Kopf von den angezogenen Knien und sah zu mir rüber. Einen Moment lang schien er mich gar nicht zu bemerken, aus seltsam leeren Augen starrte er mich an. "Xela?" Was war bloß los mit ihm? So hatte ich ihn noch nie erlebt, dieser Blick jagte mir Schauer über den Rücken. Er blinzelte beim erneuten Klang meiner Stimme und als er die Augen wieder öffnete war der stumpfe Ausdruck aus ihnen verschwunden. Ich hatte mir das doch nicht eingebildet? Seltsam. Zögernd erhob sich mein Freund und trat ins Licht des vom Fenster her einfallenden Mondlichts. Als ich seiner ansichtig wurde schnappte ich überrascht nach Luft. Ich erkannte ihn kaum wieder. Letzte Nacht war offensichtlich nicht spurlos an ihm vorübergegangen. War er vor dieser Verwandlung schon attraktiv gewesen so war er nun schlichtweg atemberaubend. Mit wild klopfendem Herzen und vor Überraschung geweiteten Augen sog ich seinen Anblick begierig in mich auf. Und wenn ich hundert Jahre alt werde, dieses Bild würde ich für den Rest meines Lebens nicht vergessen. Glänzten seine Haare zuvor schon in herrlichstem Silber, so schimmerten die seidigen Strähnen nun wie Perlmutt, reflektierten das Licht in zarten, pastellenen Regenbogenfarben. Die Farbe seiner Iris komplimentierte das Farbenspiel seiner Haarpracht, vervollkommnet durch seine helle Haut. Etwas irritiert bemerkte ich das Symbol auf seiner Stirn. Xela hatte es mir einmal als Gabeira's Zeichen beschrieben. Langsam wanderte mein Blick tiefer, glitt über sein Kinn zum Hals, zur Brust auf der ein goldenes Amulett - ebenfalls mit diesem Symbol - ruhte, registrierte die neue Kleidung die er trug. Wie ein zweite Haut schmiegte sich das offensichtlich kostbare Material an ihn.
Umschmeichelte seine ohnehin schon makellose Figur. Feinste schwarze Seide mit goldenen Bändern gesäumt und zusammengehalten. Das Oberteil ließ einen großzügigen Blick auf Nacken und Schultern zu, stellte Xela's flachen, trotz seiner Jahre im Gefängnis straffen Bauch zur Schau. Kein Gramm Fett an den falschen Stellen, zum neidisch werden. Nun ja, wo hätte er sich dieses auch anessen sollen? Jeder Schritt den Xela auf mich zutrat wurde vom leisen Klingen der, von Metall umschlossenen Enden der Bänder, die diesen Aufzug zusammenhielten, begleitet. Meine Bestandsaufnahme fortsetzend blieb mein Blick am Bund seiner Hose hängen. Wie tief sollte die denn noch sitzen? Bei jeder Bewegung meinte ich sie würde jeden Moment über seine Hüfte nach unten rutschen. Nicht das mir das etwas ausgemacht hätte. Errötend beendete ich meine von Kopf bis Fuß Musterung und stellte fest, dass Xela trotz allem immer noch barfuss ging. Bewundernd maß ich ihn noch mal von unten nach oben mit Blicken. Das blasse Mondlicht im Rücken umhüllte einer Aura gleich seine schlanke Gestalt, verlieh ihm damit ein fast überirdisches Aussehen. Im letzten möglichen Moment unterdrückte ich gerade noch ein hingerissenes Seufzen. Mein Gott, was musste Xela auch so verflucht aufregend aussehen.
Apropos aufregend. Möglichst schnell und unauffällig platzierte ich mein Kissen, auf dem ich eben noch gesessen hatte, strategisch günstig auf meinem Schoß. Hörten die Peinlichkeiten denn niemals auf? Ich hoffte nur, dass Xela es nicht allzu seltsam fand, wenn ich es, anstatt als Unterlage zu nutzen, lieber verkrampft auf den Knien hielt.
Ohne viel Aufhebens um seine gewiss teure Kleidung zu machen, ließ er sich wie immer geschmeidig mir gegenüber nieder. Abwartend sah er mich an. ,Äh?
Was jetzt?' Irgendwie war ich immer noch ganz hin und weg, musste mich regelrecht anstrengen - mit dem Objekt meiner Begierde so nah - ihn nicht schlichtweg unverhohlen anzustarren. Zu meiner Rettung fiel mir nach minutenlangem Anschweigen mein erster Kommentar des Abends wieder ein.
"Ich hab mir letzte Nacht Sorgen um dich gemacht.", bekannte ich Blickkontakt suchend. "Wo warst du? Was war denn los?", fragte ich ihn, einen bedeutungsvollen Blick auf seine Erscheinung werfend. Für einen kurzen Augenblick erwiderte Xela meinen Blick, sah dann aber auf seine im Schoß verschränkten Hände.
" Ich wurde....abgeurteilt.", verriet er mir nach kurzem Zögern.
Abgeurteilt? Na das ging nun aber plötzlich. Hieß das nun er würde weiterhin hier bleiben oder freigelassen werden? Verließ er mich nun wirklich?
Unwiderruflich?
"Und?", presste ich heiser hervor. Ich musste einfach wissen was bei dieser Verhandlung rausgekommen war. Neugierig sah ich ihn an. Kam es mir nur so vor oder mied er wirklich meinen Blick? Nervös spielte er mit einer Blume, die er in Händen hielt, zwirbelte den Stängel zwischen Daumen und Zeigefinger.
"In zwei Tagen habe ich Geburtstag.", begann er schließlich leise. Nun blickte er doch hoch, musterte mich unsicher. Abschätzend sah er mich an als würde er jedes weitere Wort genauestens abwägen. Ein zaghaftes Lächeln zustande bringend fuhr er dann stockend fort.
"Übermorgen...komm ich hier raus."





20. Ende

In morbider Faszination überwachte ich von meinem Fenster aus die Vorbereitungen zu meiner eigenen Hinrichtung. Auf dem Burghof tief unter mir herrschte reges Treiben. Überall wurde irgendetwas für das große Spektakel getan. Ein paar Meter vor dem Altar wurden die vom letzten Rach'nar beschädigten Holzgeländer ausgebessert oder durch komplett neue ersetzt. Ich erinnerte mich mit Abscheu an die tobende Masse, die versucht hatte möglichst nah an den Opfertisch zu gelangen um auch ja nichts zu verpassen.
Gleichgültig hörte ich dem Gehämmer zu. Vom naheliegenden Dorf tönte bereits Musik herüber. Natürlich, für alle anderen war Rach'nar ja ein Fest, dass drei Tage lang anhielt. Lachen und Fröhlichkeit. Höhepunkt war klarerweise die Nacht an der der Mond vollkommen war und im roten Licht erstrahlte. Die Nacht der Opferung. Tief atmete ich die klare Luft ein. Essensgeruch von den für das Fest vorbereiteten Speisen vermischt mit dem Duft des wiederkehrenden Frühlings. Welch Ironie. Leben und Tod lagen doch so nah bei einander.
Glühend rot ging die Sonne unter und wurde mit Fortschreiten des Abends vom ebenfalls rot schimmerndem Vollmond abgelöst. Nur noch eine Nacht und ein Tag verblieben mir. Die Zeit zerrann wie Sand durch meine Finger. Stunden die mir unendlich kostbar waren. Und ich hatte schon so viele vertan. Den ganzen gestrigen Tag hatte ich mich in mich selbst zurückgezogen und nichts wahrgenommen bis Alex mich aufrüttelte. Ein ganzer Tag verschwendet mit unnützem Nachdenken. Ich seufzte leise. Alex. Oh nein, ich hatte ihn letzte Nacht nicht belogen. Immerhin entsprach es der Wahrheit, morgen verließ ich diese Zelle für immer. Ich hatte ihm bloß verschwiegen, dass mein zwanzigster Geburtstag auch mein Sterbetag sein würde. Unbewusst wanderte meine Hand auf meine Brust, legte sich über die Stelle unter der mein Herz schlug. Ich konnte es ihm einfach nicht sagen, ich wusste dass ihn dieses Wissen nur belasten würde. Ich wollte nicht, dass er sich meinetwegen quälte und sich Vorwürfe machte über etwas auf das er keinen Einfluss hatte. Das konnte ich einfach nicht zulassen, dazu kannte ich ihn viel zu gut. Er war mein Freund, nein viel mehr als das, auch wenn er es nicht ahnte. Ein ziehender Schmerz durchzog meine Brust als ich daran dachte ihn loslassen zu müssen. So bald schon.
Von so kurzer Dauer unsere Freundschaft auch gewesen war, so schön war sie auch und genau dieses Gefühl würde ich im Herzen mit mir nehmen wenn es Zeit war. Seltsam gelassen betrachtete ich wie letzte Hand an das künftige Schreckensszenario gelegt wurde. Bitter lächelnd umschloss ich einen der kalten, rauen Gitterstäbe mit meiner Hand. Das Metall fühlte sich hart und solide an. Einmal mehr die Ausweglosigkeit meiner Situation verdeutlichend.
Seufzend stieß ich mich von der kalten Mauer ab und schlenderte ein paar Schritte vom Fenster weg. Irgendwie kam mir das alles so weit entfernt vor.
Als ginge mich die ganze Sache nichts an. Als hätte mich nicht mein eigener Vater an die Ba'rak verraten um mich nun fünf Jahre später ihrem blutrünstigen Gott zu opfern. All diese leeren, endlosen Jahre in Unwissenheit und Kälte. Selbst das schmerzte nur noch dumpf. Vermutlich der Schock. Kraftlos setzte ich mich mit unterschlagenen Beinen auf meine Decken und lehnte mich an die Mauer in meinem Rücken. Es wunderte mich nur, dass ich so kühl und gelassen über diese ganze Situation urteilen konnte. Mein Gott, Fakt war ich würde den Tag nach morgen Nacht nicht mehr erleben.
Vielleicht kam einem mit dem Tod vor Augen alles viel klarer vor. Was weiß ich? Möglicherweise stand ich immer noch unter Schock. Wie wäre es sonst zu erklären, dass ich so die Ruhe weg hatte, anstatt vor Angst winselnd zu vergehen. Nein, dieser Gedanke gefiel mir absolut nicht. Ich fand es besser so wie es war. Etwas Würde wollte ich doch bewahren. Heute Nacht würde ich mich entgültig von Alex verabschieden müssen. Er war das Einzige, dass ich nur ungern zurückließ. Mein Leben und seine Freundschaft. Was hatte ich schon noch mehr zu verlieren? Schweigend betrachtete ich die leicht welke Lilienblüte, die ich gestern aus meinem Haar gefischt hatte.
,So schön und zart.' Ich schloss meine Hand um sie. Langsam die Finger öffnend blickte ich auf die zerknautschte Pflanze in meiner Handfläche.
,Und so einfach zu zerstören.' Lautes Gepolter vor meiner Zellentür ließ mich aus meiner Betrachtung aufschrecken. Wie neulich drangen zwei Wachen in meine Zelle, kamen mit entschlossenen Gesichtern auf mich zu. Erstarrt blickte ich ihnen entgegen.
,Was? Ihr seid zu früh! Viel zu früh!' Letztendlich packte mich doch die Angst, griff mit eisigen Klauen nach mir. Also endete es hier und heute. Die malträtierte Blumenblüte entglitt meinen plötzlich klammen Fingern und fiel unbeachtet zu Boden, wo sie von den Wachen zertrampelt liegen blieb. Grob wurde ich auf die Füße gezerrt und von dannen geschleppt. Mir blieb gerade noch genug Zeit einen letzten, tränenverschleierten Blick gen Spiegel zu werfen bevor sich die Tür meiner Zelle mit entgültigem Knall hinter mir schloss.
,Leb wohl, Alex!'
Nur viel zu bald stand ich vor der noch verschlossenen Tür zum Burghof. Ich konnte schon durch das Holz die grölende Menge hören, die immer noch durch die kürzlich geöffneten Burgtore strömte und sich im Inneren Platz suchte.
Man hatte mir einen langen, schwarzen Kapuzenumhang umgelegt, der mich vollständig verhüllte. Er bestand komplett aus glattem Leder. Das kühle Material fühlte sich unangenehm feucht auf meiner Haut an, ließ mich frösteln. Von draußen erklang ein langgezogenes Hornsignal und drei dunkle Gestalten nahmen zu meinen Seiten und hinter mir Aufstellung. Die Tür vor mir wurde aufgestoßen und von den drei Tempeldienern flankiert trat ich widerstrebend meinen letzten Gang an. Sobald man meiner ansichtig wurde, gebärdete sich das Publikum wie wild. Ich hörte Gegröle, Pfiffe, sogar das Krachen von Holz als die ersten Geländer unter den Händen der Zuschauer ächzten. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen bewegte ich mich voran. Ein Schritt nach dem anderen. Ohne nachzudenken.
Fackeln erleuchteten den Weg, ließen die gesamte Szenerie in ihrem flackernden von Licht und Schatten abwechselndem Licht erscheinen. Viel zu bald waren wir am Altar angekommen und mit zitternden Knien stieg ich von den Männern in Schwarz gefolgt die fünf Stufen hoch. Oben angekommen nahm man mir den Umhang ab und präsentierte mich der Menge. Augenblicklich kehrte Ruhe ein als man die Insignien meines Wertes erkannte. Ich stand inmitten des hellen Scheins der Fackeln und Feuerschalen und fand mich einer gaffenden Menge gegenüber, die mich taxierte als wäre ich ein leckeres Stück Fleisch. Nun, für sie war ich wohl auch nichts anderes. Schließlich setzte ein staunendes Gemurmel ein, erfasste die ganze Menschenmasse und steigerte sich in ein ohrenbetäubendes Jubelgeheul. Zwei der Wachen traten auf mich zu und packten mich fest an den Oberarmen. Ein dritter trat vor mich und nickte den beiden anderen zu. Ich sah den Schlag nicht kommen der mich hart in den Magen traf. Pfeifend entwich die Luft aus meinen Lungen, meine Knie gaben nach und ich krümmte mich zusammen. Benommen hing ich im stahlharten Griff der beiden Tempeldiener, schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Keuchend bekämpfte ich die Dunkelheit die mich zu verschlucken drohte. So schnell konnte ich nicht schauen, lag ich schon auf dem x-förmigen Steinaltar zu Füßen einer weiteren gigantischen Ba'rakstatue, Hände und Füße in schwere Eisenketten gelegt. Deshalb also. Um mich ohne Schwierigkeiten festbinden zu können. Ich konnte mir denken, dass die Fesseln solide waren, riss aber dennoch probeweise daran. Nichts. Kalt schloss sich das Metall um meine Gelenke, gab keinen Millimeter nach.
Erneute Jubelrufe brandeten auf und lenkten meine Aufmerksamkeit auf den eben erscheinenden Hohepriester der Ba'rak. Wie immer trug er das gleiche Zeremoniengewand, bloß dass diesmal sein Thron über und über mit weißen Lilien übersät war. Die drei Tempeldiener hatten neben ihm Aufstellung innerhalb der Reihe der etwa fünfzig weiteren verhüllten Gestalten genommen.
Die Menge verstummte wieder auf sein Handzeichen und angsterfüllt sah ich einen der Kapuzenmänner auf mich zukommen. Mit schreckgeweiteten Augen sah ich den juwelenbesetzten Zeremoniendolch an, den er geschickt zwischen seinen Fingern spielen ließ. Ich konnte seine Augen unter dem Stoff nicht ausmachen, doch dieses grausame Lächeln sprach Bände. Er genoss seine Aufgabe offensichtlich. Beinahe zärtlich strich er mir die Haare aus der Stirn und grinste noch breiter. Geschickt setzte er die Spitze des Dolches mit sanftem Druck auf meine Stirn. Zitternd fühlte ich das kalte Metall, dann den brennenden Schmerz als die Klinge in meine Haut schnitt, mein eigenes warmes Blut, dass aus der Wunde trat. Gequält biss ich die Zähne zusammen. Langsam schnitt das Messer tiefer, zog peinlichst genau die Striche des Symbols auf meiner Stirn nach. Gott tat das weh! Blut rann mir in die Augen, verklebte die Lider und floss wie blutige Tränen über meine Wangen. Ohnmächtig zerrte ich an den Fesseln. Dieser Schmerz! Seine Aufgabe beendend entfernte der Diener den Dolch zögernd von meiner Stirn, ein enttäuschtes Seufzen entglitt ihm. Tränen der Erleichterung und des Schmerzes rannen mir nun über die blutüberströmten Wangen. ,Und das war erst der Anfang.' Dankbar für die kurze Atempause, das momentane Ausbleiben neuen Schmerzes hörte ich den Hohepriester der wütenden Menge kaum "Wissen" annoncieren. Kein Beil, kein Ende. Unterdrückt aufschluchzend öffnete ich die Augen einen Spaltbreit und sah gerade noch verschwommen wie das Oberhaupt der Ba'rak einen erneuten Befehl erteilte. Der zweite Tempeldiener löste sich aus der stummen Reihe der Kapuzenmänner, nahm den schon blutigen Dolch aus der Hand des Hohepriesters entgegen und kam gemessenen Schrittes auf mich zu. Abwehrend schüttelte ich den Kopf. Eine schnelle Bewegung mit der Klinge und ich fühlte einen Teil des Gewichtes meiner Haare nicht mehr.
Brutal säbelte er mein Haar ab. Diese langen, silbrigen Strähnen auf die ich so stolz gewesen war. Die Behandlung war nicht gerade sanft gewesen und hatte mich an manchen Stellen nicht nur mein Haar gekostet. Aus mehreren Schnitten blutete ich heftig, färbte mein nun wirr vom Kopf abstehendes, kurzes Haar rot. Triumphierend hielt der Diener meinen abgesäbelten Schopf mit einer Hand hoch, zeigte ihn der ekstatischen Menge. Danach drehte er sich um und warf die silbrige Masse ins ,Heilige Feuer Ba'rak's' und wandte sich wieder mir zu. Mit ehrfürchtigen Händen nahm er das goldene Gabeira Amulett und zog es mir vom Hals um es sich dann selbst umzulegen. Dabei verrutschte die Kapuze etwas und ich fing das irre Glitzern in seinen Augen auf. Ich schluckte nervös. Gleich darauf war das Messer wieder in seiner Hand und näherte sich wieder meinem Gesicht. Verzweifelt drehte ich den Kopf ausweichend zur Seite, doch er nutzte diese Gelegenheit zugleich aus. Heiß teilte die scharfe Schneide die Haut meiner rechten Wange, ein weiteres Blutrinnsal kreierend, wiederholte das Gleiche auf der linken Seite. In den nächsten Minuten tanzte die Klinge erbarmungslos über meinen zitternden Körper. Schnitt, stach, ritzte Haut und Muskel wo immer es ihr beliebte.
Halb wahnsinnig vor Schmerz rüttelte ich an den Ketten, scheuerte mir die Gelenke wund und nahm es in all der Agonie nicht mal wahr. Brennend, pochend, pulsierend strömte das Blut heiß aus zahllosen Schnittwunden, färbte meinen Torso blutrot.
,Wie viel Blut besitzt dieser Körper noch? Wie viel mehr erträgt diese Hülle?' Ergeben schloss ich die Augen, der Schmerz verebbte langsam zu einem dumpfen Pochen. Den nächsten Schnitt würde ich wohl kaum mehr spüren, dachte ich mit Galgenhumor. War die Schmerzgrenze etwa erreicht? Ich wurde eines besseren belehrt. Ohne Vorwarnung presste sich ein kreisförmiges glühendes Eisen auf die Mitte meines Bauches. Der entsetzte Schrei blieb in meiner vor Schmerz und Überraschung gelähmten Kehle stecken. Instinktiv biss ich auf meine Lippe bis auch sie blutete. Mit aller Kraft bäumte sich mein Körper gegen die Eisenschellen, riss sich die Gelenke blutig. Brennend breitete sich der Schmerz über die Nerven im ganzen Leib aus. Der Gestank von verbranntem Fleisch stieg mir beißend in die Nase, Übelkeit stieg in mir auf. Mein Gesichtsfeld trübte sich unter Tränen, reduzierte sich zu einem schmalen von Dunkelheit umgebenen Tunnel, willig ergab ich mich der Bewusstlosigkeit.
Nicht mal die Flucht an diesen stillen Ort ohne Leid war mir vergönnt. Eine kalte Flut von Eiswasser ergoss sich über mich und riss mich schmerzhaft zurück in die Realität. Der Schock ließ mein Herz für einen Moment stocken.
Würgend spuckte ich Blut und Wasser, rang dann keuchend nach Luft. Das Brandmal meldete sich bei diesem erzwungenen Atemzug zurück, sandte eine neue Schmerzenswelle durch meinen geschunden Körper. Von nun an atmete ich betont flach.
,Was noch? Wie lange noch?' "Schönheit", verkündete der Priester erneut und ich zuckte beim plötzlichen Klang der heiseren Stimme zusammen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass mein Peiniger von mir abgelassen hatte. Mit blutverkrustetem Blick machte ich den dritten Götzendiener aus. Mit langen Schritten war er am Altar und blickte auf mich herunter. Er hatte die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, sodass ich rein gar nichts sehen konnte. Es war mir auch egal. Ich wünschte mir nur noch, dass all dies endlich endete. Der Zeremoniendolch übernahm wieder seine Aufgabe in der Hand des Schwarzgekleideten, nur dass er diesmal Gewebe und nicht Haut zerschnitt. Entgegen des sonstigen Brauches hatte ich immer noch die nun zerfledderte, mit Blut vollgesogene rituelle Kleidung an.
Kurz fragte ich mich für wie viele vor mir dieses Gewand schon zum Totenhemd geworden war. Ich schob diesen nichtigen Gedanken beiseite. Kalte Luft drang an die frisch freigelegte Haut, sich bereits schließende Wunden platzten wieder auf als das stellenweise angetrocknete Material weggerissen wurde.
Ich konnte mein eigenes Blut nicht mehr sehen und blickte nach oben.
Voll und rund, erhaben und wunderschön stand der Mond hoch am Himmel, schimmerte in sanften rötlichen Licht. Sollte er mir nicht wie ein hämischer Beobachter vorkommen? Stattdessen beruhigte mich dieser Anblick, zog mich in seinen Bann, während die kalte, von meinem Blut klebrige Klinge an der Außenseite meines Beines hinabglitt, auf ihrem Weg die dünnen Bänder zerschneidend, die die Hose immer noch zusammenhielten.
Da war er wieder, der ziehende, sehnsüchtige Schmerz in meiner Brust der nichts mit dieser Tortur hier zu tun hatte. Dieses warme Gefühl, dass mich erfüllte, umarmte, Ruhe einkehren ließ in all dem Schmerz und Chaos. Das die Stimmen ausschloss und mir einen Augenblick des absoluten Friedens schenkte.
,Alex' Meine Lippen verzogen sich zu einem zaghaften Lächeln und eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, zog einen brennende Spur über meine zerschnittene Wange. Die salzige Träne vermischte sich mit dem Blut. Ich zuckte ob des plötzlichen stechenden Schmerzes zusammen, erwachte aus diesem so tranceähnlichen Zustand, nur um meinem Peiniger ins Gesicht zu starren.
Erst jetzt merkte ich, dass ich nun wirklich nichts mehr trug. Neckisch drohend platzierte er die Spitze des Dolches an meinem Hals, ließ sie meine Haut ritzen. Ein paar weitere Tropfen des roten Nass erschienen und er beugte sich über mich und leckte sie auf. Angeekelt nutzte ich die wenigen Zentimeter Bewegungsfreiheit die ich hatte und rutschte so weit wie möglich von ihm ab. Wieso konnten sie mich nicht endlich einfach töten? Langsam strich eine raue Hand über meine zerfetzte Brust, erweckte die dumpf vor sich hinpochenden Schnitte zu neuem brennenden Leben. Zischend entwich mein Atem durch meine zusammengebissenen Zähne. Die andere Hand stahl sich zwischen meine Beine.
Nein! Ich hatte das Urteil vernommen, und doch konnte ich es nicht akzeptieren, nicht glauben! Doch nun war offensichtlich was sie vorhatten.
Und sie würden es durchziehen. Mit derselben Grausamkeit und Unnachgiebigkeit wie bei allem anderen auch. Keine Gnade!
Ich versuchte mich aus seinem Griff zu winden doch er lachte nur amüsiert und verstärkte ihn schmerzhaft. Scharf schnappte ich nach Luft. Angewidert richtete ich mich soweit auf wie es die Fesseln und meine vor Schwäche zitternden Muskeln zuließen und spuckte diesem Perversen mitten ins Gesicht.
Zornig funkelte ich ihn an. Ich würde sowieso sterben, vielleicht beschleunigte dies die Sache wenigstens etwas. Die schwarze Gestalt verstummte augenblicklich, hob einen Arm und wischte sich mit dem Ärmel das Speichel-Blut Gemisch ab. Ärgerlich knurrend fasste er die Seiten seiner Kapuze und schlug sie zurück. Das Gesicht, das er enthüllte hätte meinem schlimmsten Albtraum entsprungen sein können. Diese Narbe am Kinn, die kantigen Gesichtszüge kannte ich nur zu gut...gehörten sie doch meinem Vater.
Er schaffte das was der körperliche Schmerz bisher nicht vermocht hatte.
Blind vor Seelenpein warf ich den Kopf zurück und endlich brach sich all der Schmerz, all die Verzweiflung die in mir brodelte Bahn, befreite sich mit aller Kraft, sprengte den Rahmen meiner Stimme in einem nicht enden wollenden, emotionstriefenden Schrei.


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