Titel: Unerreichbar nah
Autor: Whisper
Teil: 10/11
Genre: Fantasy
Rating: MA
Copyrights: Alles meins! Selbst drüber staun!
Warnung: [angst] [violence] angedrohtes [rape][death] und [Inzest], dann fehlt noch RIESENCliffhanger und FOLTER!!!! ^^
Kommentar: Meine Debutstory!......ein Wechselbad der Gefühle! *eg*
Feedback: Ich bin der Feedbackfresser...und ich hab HUNGER! *knurr*
"blabla" Gesprochenes
,blabla' Gedanken
,Wort' Betonung
/blabla/ Erinnerung
Rotes Mondlicht auf reflektierendem Spiegelglas.
Sehnsucht und Verlangen zum Greifen nah.
--- Unerreichbar nah ---
UNERREICHBAR NAH
19.Fremder
Pünktlich zum Einbruch der Dämmerung nahm ich am nächsten
Abend wieder
meinen angestammten Platz vor dem Spiegel ein. Entgegen jeder
Vernunft
hoffte ich tief im Inneren auf das Unmögliche. Seufzend
machte ich es mir
auf einem Kissen bequem und stellte mich auf eine weitere
lange Nacht des
Grübelns ein.
Ich konnte ihn einfach noch nicht loslassen.
Vor meinen Augen wandelte sich die schimmernde Glasfläche
wieder zum Abbild
von Xela's Zelle und trotz besseren Wissens hielt ich nach
seiner vertrauten
Gestalt Ausschau. Ich fand ihn zu meinem großen Erstaunen in
den Schatten
unter dem vergitterten Fenster kauernd vor. Die Dunkelheit
schien ihn
regelrecht absorbiert zu haben so sehr verschmolz er mit ihr.
Einzig sein
helles Haar verriet seine Anwesenheit. Vor Freude setzte mein
Herz einen
Schlag lang aus, nur um dann umso schneller pochend
einzusetzen. Illusion
oder Wirklichkeit? Bildete ich ihn mir in meinem Wunschdenken
etwa nur ein?
Nun das ließ sich herausfinden!
"Xela! Mein Gott, was hab ich mir Sorgen gemacht! Wo zum
Teufel warst du
bloß gestern Nacht?", rief ich ihm fröhlich entgegen.
Keine Reaktion. Nicht
mal ein Wimpernzucken. Schlief er etwa?
"Hey Xela! Hallo?", versuchte ich es erneut. Perplex
hob er den Kopf von den
angezogenen Knien und sah zu mir rüber. Einen Moment lang
schien er mich gar
nicht zu bemerken, aus seltsam leeren Augen starrte er mich
an. "Xela?" Was
war bloß los mit ihm? So hatte ich ihn noch nie erlebt,
dieser Blick jagte
mir Schauer über den Rücken. Er blinzelte beim erneuten
Klang meiner Stimme
und als er die Augen wieder öffnete war der stumpfe Ausdruck
aus ihnen
verschwunden. Ich hatte mir das doch nicht eingebildet?
Seltsam. Zögernd
erhob sich mein Freund und trat ins Licht des vom Fenster her
einfallenden
Mondlichts. Als ich seiner ansichtig wurde schnappte ich
überrascht nach
Luft. Ich erkannte ihn kaum wieder. Letzte Nacht war
offensichtlich nicht
spurlos an ihm vorübergegangen. War er vor dieser Verwandlung
schon
attraktiv gewesen so war er nun schlichtweg atemberaubend. Mit
wild
klopfendem Herzen und vor Überraschung geweiteten Augen sog
ich seinen
Anblick begierig in mich auf. Und wenn ich hundert Jahre alt
werde, dieses
Bild würde ich für den Rest meines Lebens nicht vergessen.
Glänzten seine
Haare zuvor schon in herrlichstem Silber, so schimmerten die
seidigen
Strähnen nun wie Perlmutt, reflektierten das Licht in zarten,
pastellenen
Regenbogenfarben. Die Farbe seiner Iris komplimentierte das
Farbenspiel
seiner Haarpracht, vervollkommnet durch seine helle Haut.
Etwas irritiert
bemerkte ich das Symbol auf seiner Stirn. Xela hatte es mir
einmal als
Gabeira's Zeichen beschrieben. Langsam wanderte mein Blick
tiefer, glitt
über sein Kinn zum Hals, zur Brust auf der ein goldenes
Amulett - ebenfalls
mit diesem Symbol - ruhte, registrierte die neue Kleidung die
er trug. Wie
ein zweite Haut schmiegte sich das offensichtlich kostbare
Material an ihn.
Umschmeichelte seine ohnehin schon makellose Figur. Feinste
schwarze Seide
mit goldenen Bändern gesäumt und zusammengehalten. Das
Oberteil ließ einen
großzügigen Blick auf Nacken und Schultern zu, stellte
Xela's flachen, trotz
seiner Jahre im Gefängnis straffen Bauch zur Schau. Kein
Gramm Fett an den
falschen Stellen, zum neidisch werden. Nun ja, wo hätte er
sich dieses auch
anessen sollen? Jeder Schritt den Xela auf mich zutrat wurde
vom leisen
Klingen der, von Metall umschlossenen Enden der Bänder, die
diesen Aufzug
zusammenhielten, begleitet. Meine Bestandsaufnahme fortsetzend
blieb mein
Blick am Bund seiner Hose hängen. Wie tief sollte die denn
noch sitzen? Bei
jeder Bewegung meinte ich sie würde jeden Moment über seine
Hüfte nach unten
rutschen. Nicht das mir das etwas ausgemacht hätte. Errötend
beendete ich
meine von Kopf bis Fuß Musterung und stellte fest, dass Xela
trotz allem
immer noch barfuss ging. Bewundernd maß ich ihn noch mal von
unten nach oben
mit Blicken. Das blasse Mondlicht im Rücken umhüllte einer
Aura gleich seine
schlanke Gestalt, verlieh ihm damit ein fast überirdisches
Aussehen. Im
letzten möglichen Moment unterdrückte ich gerade noch ein
hingerissenes
Seufzen. Mein Gott, was musste Xela auch so verflucht
aufregend aussehen.
Apropos aufregend. Möglichst schnell und unauffällig
platzierte ich mein
Kissen, auf dem ich eben noch gesessen hatte, strategisch
günstig auf meinem
Schoß. Hörten die Peinlichkeiten denn niemals auf? Ich
hoffte nur, dass Xela
es nicht allzu seltsam fand, wenn ich es, anstatt als
Unterlage zu nutzen,
lieber verkrampft auf den Knien hielt.
Ohne viel Aufhebens um seine gewiss teure Kleidung zu machen,
ließ er sich
wie immer geschmeidig mir gegenüber nieder. Abwartend sah er
mich an. ,Äh?
Was jetzt?' Irgendwie war ich immer noch ganz hin und weg,
musste mich
regelrecht anstrengen - mit dem Objekt meiner Begierde so nah
- ihn nicht
schlichtweg unverhohlen anzustarren. Zu meiner Rettung fiel
mir nach
minutenlangem Anschweigen mein erster Kommentar des Abends
wieder ein.
"Ich hab mir letzte Nacht Sorgen um dich gemacht.",
bekannte ich
Blickkontakt suchend. "Wo warst du? Was war denn
los?", fragte ich ihn,
einen bedeutungsvollen Blick auf seine Erscheinung werfend.
Für einen
kurzen Augenblick erwiderte Xela meinen Blick, sah dann aber
auf seine im
Schoß verschränkten Hände.
" Ich wurde....abgeurteilt.", verriet er mir nach
kurzem Zögern.
Abgeurteilt? Na das ging nun aber plötzlich. Hieß das nun er
würde weiterhin
hier bleiben oder freigelassen werden? Verließ er mich nun
wirklich?
Unwiderruflich?
"Und?", presste ich heiser hervor. Ich musste
einfach wissen was bei dieser
Verhandlung rausgekommen war. Neugierig sah ich ihn an. Kam es
mir nur so
vor oder mied er wirklich meinen Blick? Nervös spielte er mit
einer Blume,
die er in Händen hielt, zwirbelte den Stängel zwischen
Daumen und
Zeigefinger.
"In zwei Tagen habe ich Geburtstag.", begann er
schließlich leise. Nun
blickte er doch hoch, musterte mich unsicher. Abschätzend sah
er mich an als
würde er jedes weitere Wort genauestens abwägen. Ein
zaghaftes Lächeln
zustande bringend fuhr er dann stockend fort.
"Übermorgen...komm ich hier raus."
20. Ende
In morbider Faszination überwachte ich von meinem Fenster aus
die
Vorbereitungen zu meiner eigenen Hinrichtung. Auf dem Burghof
tief unter mir
herrschte reges Treiben. Überall wurde irgendetwas für das
große Spektakel
getan. Ein paar Meter vor dem Altar wurden die vom letzten
Rach'nar
beschädigten Holzgeländer ausgebessert oder durch komplett
neue ersetzt. Ich
erinnerte mich mit Abscheu an die tobende Masse, die versucht
hatte
möglichst nah an den Opfertisch zu gelangen um auch ja nichts
zu verpassen.
Gleichgültig hörte ich dem Gehämmer zu. Vom naheliegenden
Dorf tönte bereits
Musik herüber. Natürlich, für alle anderen war Rach'nar ja
ein Fest, dass
drei Tage lang anhielt. Lachen und Fröhlichkeit. Höhepunkt
war klarerweise
die Nacht an der der Mond vollkommen war und im roten Licht
erstrahlte. Die
Nacht der Opferung. Tief atmete ich die klare Luft ein.
Essensgeruch von den
für das Fest vorbereiteten Speisen vermischt mit dem Duft des
wiederkehrenden Frühlings. Welch Ironie. Leben und Tod lagen
doch so nah bei
einander.
Glühend rot ging die Sonne unter und wurde mit Fortschreiten
des Abends vom
ebenfalls rot schimmerndem Vollmond abgelöst. Nur noch eine
Nacht und ein
Tag verblieben mir. Die Zeit zerrann wie Sand durch meine
Finger. Stunden
die mir unendlich kostbar waren. Und ich hatte schon so viele
vertan. Den
ganzen gestrigen Tag hatte ich mich in mich selbst
zurückgezogen und nichts
wahrgenommen bis Alex mich aufrüttelte. Ein ganzer Tag
verschwendet mit
unnützem Nachdenken. Ich seufzte leise. Alex. Oh nein, ich
hatte ihn letzte
Nacht nicht belogen. Immerhin entsprach es der Wahrheit,
morgen verließ ich
diese Zelle für immer. Ich hatte ihm bloß verschwiegen, dass
mein
zwanzigster Geburtstag auch mein Sterbetag sein würde.
Unbewusst wanderte
meine Hand auf meine Brust, legte sich über die Stelle unter
der mein Herz
schlug. Ich konnte es ihm einfach nicht sagen, ich wusste dass
ihn dieses
Wissen nur belasten würde. Ich wollte nicht, dass er sich
meinetwegen quälte
und sich Vorwürfe machte über etwas auf das er keinen
Einfluss hatte. Das
konnte ich einfach nicht zulassen, dazu kannte ich ihn viel zu
gut. Er war
mein Freund, nein viel mehr als das, auch wenn er es nicht
ahnte. Ein
ziehender Schmerz durchzog meine Brust als ich daran dachte
ihn loslassen zu
müssen. So bald schon.
Von so kurzer Dauer unsere Freundschaft auch gewesen war, so
schön war sie
auch und genau dieses Gefühl würde ich im Herzen mit mir
nehmen wenn es Zeit
war. Seltsam gelassen betrachtete ich wie letzte Hand an das
künftige
Schreckensszenario gelegt wurde. Bitter lächelnd umschloss
ich einen der
kalten, rauen Gitterstäbe mit meiner Hand. Das Metall fühlte
sich hart und
solide an. Einmal mehr die Ausweglosigkeit meiner Situation
verdeutlichend.
Seufzend stieß ich mich von der kalten Mauer ab und
schlenderte ein paar
Schritte vom Fenster weg. Irgendwie kam mir das alles so weit
entfernt vor.
Als ginge mich die ganze Sache nichts an. Als hätte mich
nicht mein eigener
Vater an die Ba'rak verraten um mich nun fünf Jahre später
ihrem
blutrünstigen Gott zu opfern. All diese leeren, endlosen
Jahre in
Unwissenheit und Kälte. Selbst das schmerzte nur noch dumpf.
Vermutlich der
Schock. Kraftlos setzte ich mich mit unterschlagenen Beinen
auf meine Decken
und lehnte mich an die Mauer in meinem Rücken. Es wunderte
mich nur, dass
ich so kühl und gelassen über diese ganze Situation urteilen
konnte. Mein
Gott, Fakt war ich würde den Tag nach morgen Nacht nicht mehr
erleben.
Vielleicht kam einem mit dem Tod vor Augen alles viel klarer
vor. Was weiß
ich? Möglicherweise stand ich immer noch unter Schock. Wie
wäre es sonst zu
erklären, dass ich so die Ruhe weg hatte, anstatt vor Angst
winselnd zu
vergehen. Nein, dieser Gedanke gefiel mir absolut nicht. Ich
fand es besser
so wie es war. Etwas Würde wollte ich doch bewahren. Heute
Nacht würde ich
mich entgültig von Alex verabschieden müssen. Er war das
Einzige, dass ich
nur ungern zurückließ. Mein Leben und seine Freundschaft.
Was hatte ich
schon noch mehr zu verlieren? Schweigend betrachtete ich die
leicht welke
Lilienblüte, die ich gestern aus meinem Haar gefischt hatte.
,So schön und zart.' Ich schloss meine Hand um sie. Langsam
die Finger
öffnend blickte ich auf die zerknautschte Pflanze in meiner
Handfläche.
,Und so einfach zu zerstören.'
Lautes Gepolter vor meiner Zellentür ließ mich aus meiner
Betrachtung
aufschrecken. Wie neulich drangen zwei Wachen in meine Zelle,
kamen mit
entschlossenen Gesichtern auf mich zu. Erstarrt blickte ich
ihnen entgegen.
,Was? Ihr seid zu früh! Viel zu früh!' Letztendlich packte
mich doch die
Angst, griff mit eisigen Klauen nach mir. Also endete es hier
und heute. Die
malträtierte Blumenblüte entglitt meinen plötzlich klammen
Fingern und fiel
unbeachtet zu Boden, wo sie von den Wachen zertrampelt liegen
blieb. Grob
wurde ich auf die Füße gezerrt und von dannen geschleppt.
Mir blieb gerade
noch genug Zeit einen letzten, tränenverschleierten Blick gen
Spiegel zu
werfen bevor sich die Tür meiner Zelle mit entgültigem Knall
hinter mir
schloss.
,Leb wohl, Alex!'
Nur viel zu bald stand ich vor der noch verschlossenen Tür
zum Burghof. Ich
konnte schon durch das Holz die grölende Menge hören, die
immer noch durch
die kürzlich geöffneten Burgtore strömte und sich im
Inneren Platz suchte.
Man hatte mir einen langen, schwarzen Kapuzenumhang umgelegt,
der mich
vollständig verhüllte. Er bestand komplett aus glattem
Leder. Das kühle
Material fühlte sich unangenehm feucht auf meiner Haut an,
ließ mich
frösteln. Von draußen erklang ein langgezogenes Hornsignal
und drei dunkle
Gestalten nahmen zu meinen Seiten und hinter mir Aufstellung.
Die Tür vor
mir wurde aufgestoßen und von den drei Tempeldienern
flankiert trat ich
widerstrebend meinen letzten Gang an. Sobald man meiner
ansichtig wurde,
gebärdete sich das Publikum wie wild. Ich hörte Gegröle,
Pfiffe, sogar das
Krachen von Holz als die ersten Geländer unter den Händen
der Zuschauer
ächzten. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen bewegte ich mich
voran. Ein
Schritt nach dem anderen. Ohne nachzudenken.
Fackeln erleuchteten den Weg, ließen die gesamte Szenerie in
ihrem
flackernden von Licht und Schatten abwechselndem Licht
erscheinen. Viel zu
bald waren wir am Altar angekommen und mit zitternden Knien
stieg ich von
den Männern in Schwarz gefolgt die fünf Stufen hoch. Oben
angekommen nahm
man mir den Umhang ab und präsentierte mich der Menge.
Augenblicklich kehrte
Ruhe ein als man die Insignien meines Wertes erkannte. Ich
stand inmitten
des hellen Scheins der Fackeln und Feuerschalen und fand mich
einer
gaffenden Menge gegenüber, die mich taxierte als wäre ich
ein leckeres Stück
Fleisch. Nun, für sie war ich wohl auch nichts anderes.
Schließlich setzte
ein staunendes Gemurmel ein, erfasste die ganze Menschenmasse
und steigerte
sich in ein ohrenbetäubendes Jubelgeheul. Zwei der Wachen
traten auf mich zu
und packten mich fest an den Oberarmen. Ein dritter trat vor
mich und nickte
den beiden anderen zu. Ich sah den Schlag nicht kommen der
mich hart in den
Magen traf. Pfeifend entwich die Luft aus meinen Lungen, meine
Knie gaben
nach und ich krümmte mich zusammen. Benommen hing ich im
stahlharten Griff
der beiden Tempeldiener, schnappte nach Luft wie ein Fisch auf
dem
Trockenen. Keuchend bekämpfte ich die Dunkelheit die mich zu
verschlucken
drohte. So schnell konnte ich nicht schauen, lag ich schon auf
dem
x-förmigen Steinaltar zu Füßen einer weiteren gigantischen
Ba'rakstatue,
Hände und Füße in schwere Eisenketten gelegt. Deshalb also.
Um mich ohne
Schwierigkeiten festbinden zu können. Ich konnte mir denken,
dass die
Fesseln solide waren, riss aber dennoch probeweise daran.
Nichts. Kalt
schloss sich das Metall um meine Gelenke, gab keinen
Millimeter nach.
Erneute Jubelrufe brandeten auf und lenkten meine
Aufmerksamkeit auf den
eben erscheinenden Hohepriester der Ba'rak. Wie immer trug er
das gleiche
Zeremoniengewand, bloß dass diesmal sein Thron über und
über mit weißen
Lilien übersät war. Die drei Tempeldiener hatten neben ihm
Aufstellung
innerhalb der Reihe der etwa fünfzig weiteren verhüllten
Gestalten genommen.
Die Menge verstummte wieder auf sein Handzeichen und
angsterfüllt sah ich
einen der Kapuzenmänner auf mich zukommen. Mit
schreckgeweiteten Augen sah
ich den juwelenbesetzten Zeremoniendolch an, den er geschickt
zwischen
seinen Fingern spielen ließ. Ich konnte seine Augen unter dem
Stoff nicht
ausmachen, doch dieses grausame Lächeln sprach Bände. Er
genoss seine
Aufgabe offensichtlich. Beinahe zärtlich strich er mir die
Haare aus der
Stirn und grinste noch breiter. Geschickt setzte er die Spitze
des Dolches
mit sanftem Druck auf meine Stirn. Zitternd fühlte ich das
kalte Metall,
dann den brennenden Schmerz als die Klinge in meine Haut
schnitt, mein
eigenes warmes Blut, dass aus der Wunde trat. Gequält biss
ich die Zähne
zusammen. Langsam schnitt das Messer tiefer, zog peinlichst
genau die
Striche des Symbols auf meiner Stirn nach. Gott tat das weh!
Blut rann mir
in die Augen, verklebte die Lider und floss wie blutige
Tränen über meine
Wangen. Ohnmächtig zerrte ich an den Fesseln. Dieser Schmerz!
Seine Aufgabe
beendend entfernte der Diener den Dolch zögernd von meiner
Stirn, ein
enttäuschtes Seufzen entglitt ihm. Tränen der Erleichterung
und des
Schmerzes rannen mir nun über die blutüberströmten Wangen.
,Und das war erst
der Anfang.' Dankbar für die kurze Atempause, das momentane
Ausbleiben neuen
Schmerzes hörte ich den Hohepriester der wütenden Menge kaum
"Wissen"
annoncieren. Kein Beil, kein Ende. Unterdrückt aufschluchzend
öffnete ich
die Augen einen Spaltbreit und sah gerade noch verschwommen
wie das
Oberhaupt der Ba'rak einen erneuten Befehl erteilte. Der
zweite Tempeldiener
löste sich aus der stummen Reihe der Kapuzenmänner, nahm den
schon blutigen
Dolch aus der Hand des Hohepriesters entgegen und kam
gemessenen Schrittes
auf mich zu. Abwehrend schüttelte ich den Kopf. Eine schnelle
Bewegung mit
der Klinge und ich fühlte einen Teil des Gewichtes meiner
Haare nicht mehr.
Brutal säbelte er mein Haar ab. Diese langen, silbrigen
Strähnen auf die ich
so stolz gewesen war. Die Behandlung war nicht gerade sanft
gewesen und
hatte mich an manchen Stellen nicht nur mein Haar gekostet.
Aus mehreren
Schnitten blutete ich heftig, färbte mein nun wirr vom Kopf
abstehendes,
kurzes Haar rot. Triumphierend hielt der Diener meinen
abgesäbelten Schopf
mit einer Hand hoch, zeigte ihn der ekstatischen Menge. Danach
drehte er
sich um und warf die silbrige Masse ins ,Heilige Feuer
Ba'rak's' und wandte
sich wieder mir zu. Mit ehrfürchtigen Händen nahm er das
goldene Gabeira
Amulett und zog es mir vom Hals um es sich dann selbst
umzulegen. Dabei
verrutschte die Kapuze etwas und ich fing das irre Glitzern in
seinen Augen
auf. Ich schluckte nervös. Gleich darauf war das Messer
wieder in seiner
Hand und näherte sich wieder meinem Gesicht. Verzweifelt
drehte ich den Kopf
ausweichend zur Seite, doch er nutzte diese Gelegenheit
zugleich aus. Heiß
teilte die scharfe Schneide die Haut meiner rechten Wange, ein
weiteres
Blutrinnsal kreierend, wiederholte das Gleiche auf der linken
Seite. In den
nächsten Minuten tanzte die Klinge erbarmungslos über meinen
zitternden
Körper. Schnitt, stach, ritzte Haut und Muskel wo immer es
ihr beliebte.
Halb wahnsinnig vor Schmerz rüttelte ich an den Ketten,
scheuerte mir die
Gelenke wund und nahm es in all der Agonie nicht mal wahr.
Brennend,
pochend, pulsierend strömte das Blut heiß aus zahllosen
Schnittwunden,
färbte meinen Torso blutrot.
,Wie viel Blut besitzt dieser Körper noch? Wie viel mehr
erträgt diese
Hülle?' Ergeben schloss ich die Augen, der Schmerz verebbte
langsam zu einem
dumpfen Pochen. Den nächsten Schnitt würde ich wohl kaum
mehr spüren, dachte
ich mit Galgenhumor. War die Schmerzgrenze etwa erreicht? Ich
wurde eines
besseren belehrt. Ohne Vorwarnung presste sich ein
kreisförmiges glühendes
Eisen auf die Mitte meines Bauches. Der entsetzte Schrei blieb
in meiner vor
Schmerz und Überraschung gelähmten Kehle stecken. Instinktiv
biss ich auf
meine Lippe bis auch sie blutete. Mit aller Kraft bäumte sich
mein Körper
gegen die Eisenschellen, riss sich die Gelenke blutig.
Brennend breitete
sich der Schmerz über die Nerven im ganzen Leib aus. Der
Gestank von
verbranntem Fleisch stieg mir beißend in die Nase, Übelkeit
stieg in mir
auf. Mein Gesichtsfeld trübte sich unter Tränen, reduzierte
sich zu einem
schmalen von Dunkelheit umgebenen Tunnel, willig ergab ich
mich der
Bewusstlosigkeit.
Nicht mal die Flucht an diesen stillen Ort ohne Leid war mir
vergönnt. Eine
kalte Flut von Eiswasser ergoss sich über mich und riss mich
schmerzhaft
zurück in die Realität. Der Schock ließ mein Herz für
einen Moment stocken.
Würgend spuckte ich Blut und Wasser, rang dann keuchend nach
Luft. Das
Brandmal meldete sich bei diesem erzwungenen Atemzug zurück,
sandte eine
neue Schmerzenswelle durch meinen geschunden Körper. Von nun
an atmete ich
betont flach.
,Was noch? Wie lange noch?'
"Schönheit", verkündete der Priester erneut und
ich zuckte beim plötzlichen
Klang der heiseren Stimme zusammen. Ich hatte gar nicht
mitbekommen, dass
mein Peiniger von mir abgelassen hatte. Mit blutverkrustetem
Blick machte
ich den dritten Götzendiener aus. Mit langen Schritten war er
am Altar und
blickte auf mich herunter. Er hatte die Kapuze so tief ins
Gesicht gezogen,
sodass ich rein gar nichts sehen konnte. Es war mir auch egal.
Ich wünschte
mir nur noch, dass all dies endlich endete. Der
Zeremoniendolch übernahm
wieder seine Aufgabe in der Hand des Schwarzgekleideten, nur
dass er diesmal
Gewebe und nicht Haut zerschnitt. Entgegen des sonstigen
Brauches hatte ich
immer noch die nun zerfledderte, mit Blut vollgesogene
rituelle Kleidung an.
Kurz fragte ich mich für wie viele vor mir dieses Gewand
schon zum Totenhemd
geworden war. Ich schob diesen nichtigen Gedanken beiseite.
Kalte Luft drang
an die frisch freigelegte Haut, sich bereits schließende
Wunden platzten
wieder auf als das stellenweise angetrocknete Material
weggerissen wurde.
Ich konnte mein eigenes Blut nicht mehr sehen und blickte nach
oben.
Voll und rund, erhaben und wunderschön stand der Mond hoch am
Himmel,
schimmerte in sanften rötlichen Licht. Sollte er mir nicht
wie ein hämischer
Beobachter vorkommen? Stattdessen beruhigte mich dieser
Anblick, zog mich in
seinen Bann, während die kalte, von meinem Blut klebrige
Klinge an der
Außenseite meines Beines hinabglitt, auf ihrem Weg die
dünnen Bänder
zerschneidend, die die Hose immer noch zusammenhielten.
Da war er wieder, der ziehende, sehnsüchtige Schmerz in
meiner Brust der
nichts mit dieser Tortur hier zu tun hatte. Dieses warme
Gefühl, dass mich
erfüllte, umarmte, Ruhe einkehren ließ in all dem Schmerz
und Chaos. Das die
Stimmen ausschloss und mir einen Augenblick des absoluten
Friedens schenkte.
,Alex'
Meine Lippen verzogen sich zu einem zaghaften Lächeln und
eine Träne löste
sich aus meinem Augenwinkel, zog einen brennende Spur über
meine
zerschnittene Wange. Die salzige Träne vermischte sich mit
dem Blut. Ich
zuckte ob des plötzlichen stechenden Schmerzes zusammen,
erwachte aus diesem
so tranceähnlichen Zustand, nur um meinem Peiniger ins
Gesicht zu starren.
Erst jetzt merkte ich, dass ich nun wirklich nichts mehr trug.
Neckisch
drohend platzierte er die Spitze des Dolches an meinem Hals,
ließ sie meine
Haut ritzen. Ein paar weitere Tropfen des roten Nass
erschienen und er
beugte sich über mich und leckte sie auf. Angeekelt nutzte
ich die wenigen
Zentimeter Bewegungsfreiheit die ich hatte und rutschte so
weit wie möglich
von ihm ab. Wieso konnten sie mich nicht endlich einfach
töten? Langsam
strich eine raue Hand über meine zerfetzte Brust, erweckte
die dumpf vor
sich hinpochenden Schnitte zu neuem brennenden Leben. Zischend
entwich mein
Atem durch meine zusammengebissenen Zähne. Die andere Hand
stahl sich
zwischen meine Beine.
Nein! Ich hatte das Urteil vernommen, und doch konnte ich es
nicht
akzeptieren, nicht glauben! Doch nun war offensichtlich was
sie vorhatten.
Und sie würden es durchziehen. Mit derselben Grausamkeit und
Unnachgiebigkeit wie bei allem anderen auch. Keine Gnade!
Ich versuchte mich aus seinem Griff zu winden doch er lachte
nur amüsiert
und verstärkte ihn schmerzhaft. Scharf schnappte ich nach
Luft. Angewidert
richtete ich mich soweit auf wie es die Fesseln und meine vor
Schwäche
zitternden Muskeln zuließen und spuckte diesem Perversen
mitten ins Gesicht.
Zornig funkelte ich ihn an. Ich würde sowieso sterben,
vielleicht
beschleunigte dies die Sache wenigstens etwas. Die schwarze
Gestalt
verstummte augenblicklich, hob einen Arm und wischte sich mit
dem Ärmel das
Speichel-Blut Gemisch ab. Ärgerlich knurrend fasste er die
Seiten seiner
Kapuze und schlug sie zurück. Das Gesicht, das er enthüllte
hätte meinem
schlimmsten Albtraum entsprungen sein können. Diese Narbe am
Kinn, die
kantigen Gesichtszüge kannte ich nur zu gut...gehörten sie
doch meinem
Vater.
Er schaffte das was der körperliche Schmerz bisher nicht
vermocht hatte.
Blind vor Seelenpein warf ich den Kopf zurück und endlich
brach sich all der
Schmerz, all die Verzweiflung die in mir brodelte Bahn,
befreite sich mit
aller Kraft, sprengte den Rahmen meiner Stimme in einem nicht
enden
wollenden, emotionstriefenden Schrei.