Titel: Unerreichbar nah
Autor: Whisper
Teil: 09/11

Genre: Fantasy
Rating: MA
Copyrights: Alles meins! Selbst drüber staun!
Warnung: [ANGST]*yum* Seelenqualen*noch besser ...und laut Tamura [cliffhanger]
Kommentar: Meine Debutstory!......ein Wechselbad der Gefühle! *eg*
Feedback: Immer willkommen! Gern gesehen! Gebraucht! Lebensnotwendig!...Noch ne Steigerung möglich?

"blabla" Gesprochenes
,blabla' Gedanken
,Wort' Betonung
/blabla/ Erinnerung


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Rotes Mondlicht auf reflektierendem Spiegelglas.
Sehnsucht und Verlangen zum Greifen nah.
--- Unerreichbar nah ---

UNERREICHBAR NAH

17.Verrat

Der Schlüssel zu meiner Zelle drehte sich knirschend im verrosteten Schloss und weckte mich. Seit Jahren hatte ich dieses Geräusch nicht gehört und damals besiegelte es mein Schicksal. Irritiert setzte ich mich auf und bekam gerade noch mit, wie zwei in Schwarz und Harnisch gekleidete Wachen forschen Schrittes durch die Tür auf mich zu kamen. Grob zogen sie mich auf die Füße und hielten mich links und rechts am Arm fest bevor ich überhaupt wusste was los war. Unsanft stießen sie mich Richtung Tür, als ich ihnen nicht schnell genug reagierte zerrten sie mich mit sich. Flankiert von den beiden Wachen stolperte ich in den schmalen Gang vor meiner Zelle. Zeit mich umzusehen hatte ich nicht denn ich wurde auf die Wendeltreppe vor mir zugeschoben. Nur sie führte vom Turm hinunter. So vorsichtig wie es in der Hast meiner Begleiter möglich war stieg ich die scheinbar endlose Treppe hinunter. Mehr als einmal bewahrte mich der feste Griff der Beiden davor zu fallen. Das würde sicher blaue Flecken geben, aber besser als ein gebrochener Hals.
Sollte ich hier endlich rauskommen dann vorzugsweise lebend.
Endlich im Burghof angekommen rang ich keuchend nach Atem. Die Jahre im Kerker hatten ihren Tribut gefordert. Keine Kondition mehr. Die beiden Wachen ließen keine Pause zu und drängten mich stattdessen auf eine Tür auf der anderen Seite des Burgfrieds zu. Schwer fiel das Eichenholz hinter uns ins Schloss, nachdem wir hindurchgetreten waren, eine weitere Treppe nahm hier ihren Anfang. Sie führte weiter nach unten in die Grundmauern der Burg.
Nun fing ich ernsthaft an mich zu sträuben, jedes Kind wusste schließlich, dass sich hier unten üblicherweise die Folterkammer befand. Viel Sinn hatten meine Bemühungen nicht, ich war einfach zu schwach um gegen diese zwei Muskelpakete anzukommen. Dennoch machte ich ihnen ihren Auftrag so schwer wie möglich. Es war dunkel auf der Treppe, nur wenige Fackeln erhellten mit ihrem rötlichen Licht den Weg und ich brachte uns mehr als ein Mal fast zu Fall. Am Ende der Stufen angekommen keuchten meine Begleiter genauso sehr wie ich. Grob wurde ich durch die dort wartende Tür gestoßen, von dem Schwung stolperte ich vorwärts, dann knickten meine Knie weg und ich landete unsanft auf dem Steinfußboden, der womöglich noch kälter war als der in meiner Zelle. Hinter mir fiel die Tür mit einem entgültigen Knall ins Schloss. Vernichtend hallte der Klang in meinen Ohren wieder.
Schon wieder eingeschlossen. Wie oft hatte ich mir gewünscht aus meiner Zelle rauszukommen und nun...saß ich in einer anderen fest, keine Ahnung was mich erwartete. Ich rechnete damit gleich wieder hochgezogen zu werden, als ich hörte wie sich mir schlurfend Schritte näherten. Wie überrascht war ich als ich nur sanft an der Schulter geschüttelt wurde. Aufgeschreckt ruckte mein Kopf hoch und ich sah mich gehetzt um.
Ein von Kerzen und Fackeln erhelltes Zimmer präsentierte sich mir, in dessen Zentrum ein großer Badezuber mit dampfendem Wasser stand. Feuer in Kohlebecken verbreitete angenehme Wärme und an den Wänden standen Tische mit allerlei Leckereien. Es war kein großer Raum - ohne Fenster - aber mit Sicherheit nicht die Folterkammer die ich erwartet hatte. Erstaunt blickte ich mich nach der Person um die mich gerade eben berührt hatte. Ein seltsames Gefühl nach fünf langen Jahren. Sie stellte sich als eine alte, verrunzelt aussehende Frau heraus. Ihre Augenlider sahen seltsam verwachsen aus, fast wie Narben. Der Stock in ihrer Hand verriet nur noch mehr was mit ihr los war. Sie war geblendet worden. Ein Blinde!
Zögernd legte ich meine Hand auf die ihre, welche immer noch auf meiner Schulter ruhte. Stumm lächelnd erhob sie sich, verschränkte ihre Finger mit meinen und zog mich gen Badezuber.
Unschlüssig blieb ich stehen, nicht dass ich nicht erraten konnte was wohl von mir erwartet wurde, aber ich traute der Sache nicht. Warum hatte man mich hierher gebracht? Beharrlich löste ich mich aus dem widerstrebenden Griff der Blinden, huschte auf Zehenspitzen zur Tür und lauschte. Dumpfes Waffenklirren und Gesprächsfetzen drangen hindurch. Ich hätte es wissen müssen. Keine Möglichkeit zur Flucht. Resigniert rutschte ich mit dem Rücken die Tür hinunter und blieb dort sitzen. Schlurfende Schritte und das Klopfen des Stockes auf dem Steinfußboden kündigten die Ankunft der Alten an.
Unmittelbar vor mir blieb sie stehen und starrte mit blinden Augen abwartend zu mir herunter.
"Wieso?", wagte ich verzweifelt zu fragen, doch die Alte bedeutete mir nur mit Gesten, dass sie nicht sprechen konnte. Blind und stumm. Das war gewiss kein Zufall.
Als sie wieder nach meiner Hand fasste, ließ ich mich widerstandslos mitziehen. Wenn ich schon mal hier war konnte ich mich wenigstens waschen.
Warmes Wasser hatte ich seit fünf Jahren nicht gesehen und erst recht keine Seife.
Als mir die Alte beim Ausziehen behilflich sein wollte, musste ich mich regelrecht losreißen um ihr zu entgehen.
"Das kann ich schon selbst, danke!" Demütig neigte sie das Haupt und wartete bis ihr das Plätschern des Wassers verriet, dass ich ins Bad gestiegen war. Sofort wurde ein wohlriechendes Badeöl ins dampfende Wasser gegossen. Waren das Lilien? Ja es roch eindeutig nach Lilien. Sie musste sich in diesem Raum sehr gut auskennen, wenn sie alles so blind fand.
Nur mit Mühe konnte ich meine Pflegerin davon abhalten mir mit einem Schwamm zu Leibe zu rücken. So was von aufdringlich. Nachdem ich ihr dieses Waschutensil abgerungen hatte, ließ ich mich bis zur Nasenspitze in das warme Wasser sinken. Ein herrliches Gefühl. Ich konnte ein behagliches Seufzen nicht unterdrücken. Ich tauchte ganz unter und als ich wieder hoch kam, ließ ich die Augen einen Moment lang geschlossen.
Meine kurze Unachtsamkeit ausnutzend hatte die Alte meine einzige Kleidung verschwinden lassen. Aufgebracht fuhr ich sie an als ich es bemerkte, blieb aber in der Wanne sitzen. Wo hätte ich auch hin sollen ohne Kleidung?
Angespannt wusch ich mich zu Ende. Das Wohlbefinden war von einem Moment auf den anderen wie weggewischt.
Erst als das Wasser kalt wurde zauberte die Blindstumme ein großes weißes Laken von irgendwo hervor und bedeutete mir aus dem Bad zu steigen. Flink nahm ich ihr auch dieses ab und trocknete mich selbst. Danach benutzte ich das nasse Stück Stoff als improvisierte Kleidung. Als die Alte merkte, dass ich ihr das Gewebe nicht mehr aushändigen würde holte sie ein ebenfalls großes, weißes Leinenhemd und hielt es mir hin. Offensichtlich hatte sie erkannt, dass ich mich von ihr nicht antatschen lassen würde. Dankbar nahm ich das Hemd entgegen, streifte es über und gab ihr das nasse Tuch zurück.
Danach trollte sie sich durch die, von den beiden Männern bewachte Tür und ließ mich allein.
Unschlüssig stand ich im Raum und sah mich genauer um. Misstrauisch musterte ich die mit allerlei Köstlichkeiten beladenen Tische. Von einer riesigen Obstschale mit allen erdenklichen Früchten - keine Ahnung wie sie die mitten im Winter aufgetrieben haben - über eine Fleisch- und Käseplatte, Geflügel, ofenfrisches Brot, sogar Kuchen, bis hin zu Karaffen unterschiedlichen Inhaltes - sei's Wein, Wasser oder andere trinkbare Flüssigkeiten - war alles vertreten was man sich an Gaumenfreuden wünschen konnte. Ich nahm nichts davon, was mein Magen laut protestierend quittierte. Schließlich aß ich ein Stück Brot und trank Wasser dazu. Mein übliches Mahl. Ich traute der ganzen Sache nicht. Außerdem wäre mir von der ganzen ungewohnten Kost sowieso nur schlecht geworden. So rollte ich mich auf einem der Teppiche die neben den Tischen gelegen hatten zusammen und ruhte mich etwas aus. Wer weiß wozu ich meine Energie heute noch brauchen würde.
Einige Stunden später, es musste inzwischen Mitternacht sein, öffnete sich die Tür wieder und die Wachen traten ein. Ihr Blick schweifte erstaunt über die unberührten Essensplatten zu mir und musterten mich unverhohlen.
Natürlich sah ich anders aus wenn ich gewaschen und sauber angezogen war.
Rebellisch sah ich ihnen entgegen, was sie nicht davon abhielt mich erneut zu ergreifen und wieder zur Tür hinauszuschleifen. Sanfter diesmal aber dennoch unnachgiebig. Wieder ging es tiefer ins Gewölbe der Burg. Dass sie mich nun in die Folterkammer bringen würden glaubte ich nun nicht mehr.
Sonst hätten sie sich garantiert nicht die ganze Mühe mit mir gemacht.
Hoffte ich wenigstens.
Wieder wurde ich am nun endgültigen Ende der Treppe durch eine Tür geschoben, nur dass diese um einiges größer war als die letzte und meine Begleiter mich weitereskortierten. Neugierig blickte ich mich um. Noch ein Raum ohne Fenster, aber groß mit hoher gewölbter Decke, mehr lang als breit.
Auch hier standen überall Feuerschüsseln im Raum verteilt und an den Wänden steckten Fackeln in Haltern. Wir steuerten auf das kurze Ende des Raumes, nein eigentlich war es eher ein Gang zu. Imposant erhob sich dort ein auf einem Podest stehender Thron. Bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass sich die überaus hohe Lehne zwischen den gespreizten Beinen einer weiblichen in Holz geschnitzten Statue befand. Mein Blick wanderte höher über weitere Kopien weiblicher, nackter, in aufreizenden Posen dargestellter Körper zu Darstellungen von diversen Reichtümern, wie Gold, Silber und Edelsteinen die in das Holz eingearbeitet waren und zu Füßen einer, den Saal beherrschenden Götzenstatue von Ba'rak dem teufelsgleichen, gehörnten Gott lagen. Auf diesem Thron saß ein langer, hagerer Mann in kostbaren schwarzen Gewändern, ein seltsames Gebilde auf dem Haupt. Offensichtlich Ba'rak's Hohepriester.
Ich hatte ihn schon bei den Opferungen gesehen.
Mir schwante böses. Vor dem Thron angekommen zwangen mich die beiden Wachen in die Knie und wurden dann von drei Tempeldienern abgelöst, die drohend hinter mich traten. Sie waren ebenfalls in Schwarz gehüllt und die Kapuzen der langen Umhänge verdeckten völlig ihre Gesichter. Flucht war wieder zwecklos.
Einer von ihnen trat vor, verbeugte sich tief vor dem Podest, stieg auf einen Wink des Hohenpriesters nach oben und händigte diesem eine Pergamentrolle aus. Danach verneigte er sich erneut und nahm seinen Platz hinter mir zur Linken wieder ein.
Nur das Feuer der Fackeln knisterte leise als der Priester das Pergament entrollte und sorgsam studierte. Ab und zu sah er mich abschätzend an, sagte aber nichts. Schließlich legte er die Schriftrolle zur Seite und bedeutete dem Tempeldiener zu meiner Linken etwas. Ehrerbietig verneigte sich dieser wieder und huschte von meiner Seite. Wohin konnte ich nicht sehen. Sofort kam er zurück, stellte sich vor mich hin und strich mir die noch immer leicht feuchten Haare aus der Stirn. Aus schockgeweiteten Augen beobachtete ich wie er den mitgebrachten Pinsel in eine Schale mit dunkler Flüssigkeit tauchte und an meine Stirn hob. Instinktiv ruckte ich den Kopf weg, was mir aber nur einbrachte von den beiden Anderen still gehalten zu werden. Die Hände auf meinen Schultern und um meinen Kopf ließen keine weitere Bewegung mehr zu. Langsam und präzise zeichnete mir der Vermummte etwas auf die Stirn. Die kalten, nassen Striche bildeten ein Symbol. Ein Symbol, dass ich nur zu gut kannte.
Gabeira's Ringe und Stern.
Das war es also was sie mit mir vorhatten, erkannte ich erschreckt. Die Wucht der Erkenntnis ließ mich schwindeln und die Wächter packten fester zu.
Vernichtet schloss ich die Augen.
"Wissen", annoncierte der Tempeldiener feierlich.
Woher wussten sie nur das ich zu Gabeira's Gruppe gehört hatte? Nun, wenigstens würde ich für etwas sterben an das ich glaubte. Und es würde schnell gehen, das war mein einziger Trost.
Das Zischen einer blankgezogenen Klinge ließ mich erschreckt die Augen aufreißen. Verwundert sah ich wie der zweite der Tempeldiener, welcher zu meiner Rechten gestanden hatte nun auf mich zutrat. Zwei schnell geführte Bewegungen mit dem Dolch schnitten mein Hemd an den Schultern entzwei und der Stoff kräuselte sich um meine Knie. Wie erniedrigend. Nun trug ich nichts mehr außer meinem Stolz. Die festhaltenden Arme der anderen Beiden verhinderten, dass ich mich den abschätzenden Blicken entzog. Trotzig erwiderte ich den Blick des Tempeloberhaupts, schluckte aber nervös. Erneut erteilte er mit einer Geste einen Befehl und der Diener eilte sich etwas zu holen. Dieses Etwas stellte sich als Kleidung heraus. Vorsichtig wurde mir dies angelegt. Sie bestand aus einem schwarzen, mit Goldband gesäumten Seidenoberteil, das nur an zwei Stellen - an den Schultern - durch einen Bänderverschluss zusammengehalten wurde. Es reichte mir gerade mal bis zur untersten Rippe und ließ den Bauch frei.
Die Hose, sofern man dieses ebenfalls schwarze mit Goldborten besetzte Stück Stoff so nennen konnte, wurde im selben Prinzip an drei Stellen an den Außenseiten meiner Beine zusammengehalten. An Knöchel, Knie und Hüfte, und saß dadurch recht tief. Alles in allem enthüllte dieser Aufzug mehr als er verbarg. Zum Schluss wurde mir noch ein Amulett, ebenfalls mit Gabeira's Symbol, umgelegt.
"Schönheit.", verkündete der zweite Diener.
Was? Unmöglich! Doch nicht ich! Nie hatte ein Opfer mehr als einen Wert besessen. Wie ein Schlag in den Magen traf mich die Erinnerung auf welche Art ,Schönheit' starb. ,Nein, bitte nicht!' Grauen erfasste mich und ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinab. Ich wünschte mich nur noch zurück in meine Zelle zu der sie den Schlüssel meinetwegen wegwerfen sollten. Lieber das als....
Der dritte, direkt hinter mir stehende Verhüllte trat vor und fasste in meine Haare um sie zu vier Strähnen zu unterteilen.
Da fiel es mir wieder ein. Nur Unberührte gingen mit offenem Haar zum Altar.
Mit einer harschen Geste unterbrach der Hohepriester das Tun seines Untergebenen. Augenblicklich zog dieser die Finger aus meinem Haar zurück.
,Was?' Auch er eilte nun davon und kehrte kurz darauf wieder zurück.
Eine weiße Lilie, Gabeira's Symbolblume wurde mir delikat hinters Ohr gesteckt. Wie von weit entfernt hörte ich den Tempeldiener "Unschuld" deklarieren.
Mir schwirrte der Kopf und ich wäre hingefallen hätte man mich nicht noch immer festgehalten. Das war doch nicht wahr, das konnte einfach nicht wahr sein. Kein Opfer besaß mehr als eine Eigenschaft, es hatte noch nie ein männliches Unschuldsrhinuk gegeben. Woher wussten sie überhaupt all das über mich?
Es war bestimmt nur ein böser Traum, ein grauenhafter Traum und gleich würde ich in meiner zugigen Zelle aufwachen. Doch ich wachte nicht auf.
"Dem Rhinuk wird ein letzter Wunsch gewährt", verkündete der Hohepriester, zum ersten Mal das Wort ergreifend, doch ich nahm es kaum wahr.
"Keine Antwort? Nun gut. Führt das Rhinuk in die dafür vorgesehenen Gemächer bis Ba'rak's Tag gekommen ist. Sorgt dafür das es ihm in den drei Tagen an nichts mangelt!", befahl er an seine Diener gewandt.
Augenblicklich wurde ich hochgezogen. Gemächer? Nein!!! Ich hatte mich doch nicht mal von meinem einzigen Freund verabschiedet. Was sollte ich in Gemächern wenn Alex nicht dort war?
"Nein!", brachte ich atemlos hervor. Die Gedanken jagten sich in meinem Hirn. "Ich möchte zurück in meine Zelle! Bitte!", stieß ich lauter hervor.
Wenn, dann wollte ich meine letzten Tage mit Alex verbringen. Er war mein Freund, nein, viel mehr als das. Es war mir nur erst jetzt klar geworden.
Der Hohepriester nickte nur. "Dein Wunsch sei gewährt!" Idiotische Erleichterung überkam mich. Ich würde Alex doch noch wiedersehen, sofern es der Spiegel zuließ. Oh, wie sehr hoffte ich auf diese Gnade.
Widerstandslos ließ ich mich abführen. Es hätte sowieso keinen Sinn gehabt mich großartig zu wehren.
Die Wachen von vorhin geleiteten mich wieder hinaus. Auf dem Weg nach draußen bekam ich das Gespräch zwischen zwei der Kapuzenmänner mit.
"Das ideale Rhinuk! So etwas hatten wir noch nie!" - "Ja, Xantras verdient wirklich eine Belohnung!" ,Xantras?' War diese Nacht nicht schon schlimm genug gewesen? Von dem Weg zurück in meine Zelle bekam ich nichts mit, mein Bewusstsein war wie in Nebel gehüllt. Ich glaubte den Verstand zu verlieren, angeknackst war er schon. Die schwere Zellentür schloss sich laut knirschend hinter mir, erst dann brach ich zusammen.
,Xantras.' Es gab im ganzen Burgumkreis nur einen mit diesem Namen.
"Vater!", murmelte ich gebrochen.





18. Sehnsucht

Es war doch stets das Gleiche. Immer wenn man es besonders eilig hatte, ging garantiert nichts voran. Ausgerechnet heute war mein längster Tag der Uniwoche. Zu allem Unglück bestand mein Professor nach der Vorlesung noch auf eine Diskussion des besprochenen Stoffes und ich kam nicht weg. Durch die schlechte Wetterlage verspätete sich dann auch noch der Bus, der mich schließlich mit gehöriger Verzögerung nach Hause brachte. Dabei hatte ich gerade heute besonders früh daheim sein wollen, damit ich ja nicht zu spät kam.
Gehetzt blickte ich von der ersten Stufe des Haupteingangs gen Himmel. Wie erwartet stand der aufgehende Mond am Nachthimmel. Jetzt aber schnell!
Keuchend nahm ich zwei Stufen auf einmal auf dem Weg nach oben. Völlig außer Atem und mit vor Anstrengung zitternden Knien kam ich im vierten Stock an und stürzte in meine Wohnung. Hastig verstaute ich meine Sachen und eilte in mein Schlafzimmer.
,Geschafft! Gerade noch rechtzeitig!', dachte ich als die zerzauste Reflexion meiner Selbst verblasste und das Abbild einer Zelle in den Vordergrund trat. Mein Spiegel war wie erwartet wieder zu einem Fenster zwischen Xela's und meiner Welt geworden. Ich hatte also doch Recht und konnte es gar nicht abwarten meinem Freund meine neueste Entdeckung mitzuteilen. Von ungeduldiger Vorfreude erfüllt suchte ich die Zelle nach dessen wohlvertrauter Gestalt ab. Mein Herz sank als ich ihn nicht fand. Der Raum war leer. Sofern ich das beurteilen konnte, war alles genauso wie sonst, nichts war verändert. Nur das einzige und für mich Wichtigste fehlte.
Xela. Wo war er nur? Jetzt hatte ich mich extra seinetwegen nach Hause beeilt und wo war er? Nicht da! Ärgerlich starrte ich in den Spiegel. Zu selbstverständlich war es mir schon geworden ihn immer auf mich wartend anzutreffen, nicht umgekehrt. Dann kam mir ein entsetzlicher Gedanke. Er konnte doch nirgends hin, es sei denn...es sei denn man hatte ihn geholt!
Erschöpft und enttäuscht sank ich zu Boden und blieb benommen sitzen.
Was war bloß geschehen, dass man Xela nach fünf Jahren ohne Vorwarnung plötzlich aus seiner Zelle holte? Hätte er es gewusst, hätte er mir sicher etwas davon gesagt. Sich zumindest verabschiedet.
Hatte man ihn vielleicht frei gelassen? Wenn dem so war, sollte ich mich eigentlich für meinen Freund freuen. Aber ich konnte es nicht, immerhin hatte ich den für mich wertvollsten Menschen verloren.
Irgendwie glaubte ich aber nicht an eine glückliche Wendung seines Schicksals. Ein ungutes Gefühl nagte an mir. Was wenn er nicht frei gelassen worden war? Besorgt runzelte ich die Stirn. Wenn...?
Egal was mit ihm passiert war, ich würde es wohl kaum jemals erfahren und das bedrückte mich noch mehr.
Schreckliche Möglichkeiten entsprangen meiner regen Phantasie. Immerhin lebte er in einer barbarischen Welt zwischen Götzendienern.
Wer wusste was in Xela's Dimension sonst noch so üblich war. Vielleicht hatte man ihn verkauft oder gar getö...Nein, bloß nicht daran denken. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand einem Wesen wie Xela Schmerzen oder gar Schlimmeres zufügen könnte. Leider war ich durch jenes Fest vor etwa zwei Monaten eines besseren belehrt worden.
Ich hoffte bloß, dass sich für Xela alles zum Besten gewendet hatte, wenn ich auch das Schlimmste befürchtete. Vielleicht war es ja ganz gut, dass ich so gut wie nichts über die Gebräuche seines Landes und über seinen Verbleib wusste. Ich glaube ich hätte es nicht ertragen ihn tot zu wissen. Ohne es bewusst zu merken saß ich die ganze Nacht vor dem Spiegel und starrte blicklos, in Erinnerungen und Grübeleien versunken vor mich hin. Insgeheim hoffte ich, dass Xela vielleicht doch noch zurückgebracht wurde. Erst jetzt wo ich mir sicher war ihn nie wiederzusehen, merkte ich wie sehr ich ihn brauchte. Ein unerträglicher Gedanke, nach Hause zu kommen und meinen Freund nicht mehr anzutreffen. Selbst in den mondlosen Phasen hatte ich seine Anwesenheit immer gespürt. Ein beruhigendes Gefühl ihn immer bei mir zu wissen. Vorbei, alles vorbei.
Draußen fing es langsam zu dämmern an, als mein Wecker, den ich -fürs Wochenende - abzustellen wieder ein Mal vergessen hatte, Alarm schlug und mich aus meiner Trance riss. Die letzte Zeile des soeben endenden Songs traf genau mein momentanes Gemüt.

" ...all I needed for another day, and all I ever knew - only you - "


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