Freiheit

Ich sitze am Schreibtisch. Mein Blick wandert zum offenen Fenster hinaus, gen Himmel. Die Nacht ist klar und kalt, der Wind die einzige Bewegung, die sich mir offenbart. Kälte, dass bedeutet Sternenhimmel, nicht sehr ungewöhnlich. Doch es ist Vollmond. Einsam und allein, doch trotzdem (oder gerade deswegen) mit überwältigender Kraft, sendet er seine Zauberschein direkt auf mein Gesicht.

Ich denke an meine Mitschüler. Gewiss liegt jetzt ein großer Teil im Bett und überlegt, was für ein Outfit es morgen zu tragen gilt oder bei welchem Mädchen sich eine Anmache lohnen würde.

Ob es dort draußen einen Menschen gibt, der sich auch dem Bann des Mondes nicht entziehen kann und der dem gleichen Gedankenmuster folgt wie ich? Ob er sich Gedanken darüber macht, wie es wäre, sich gegen alles zu stellen, dem goldenen Käfig zu entkommen? Mich erfüllt sie gerade, die Sehnsucht nach der Unabhängigkeit. Frei sein der Gedanken um den Sinn des scheinbar Sinnlosen. Keine Ängste haben zu müssen, etwas zu verlieren; sich über Dinge stellen zu können.

Ich rede nicht von frei sein in Hinsicht der Macht, seine Meinung sagen zu dürfen. Ich rede von Freiheit. Von „der Freiheit“. Von dem schönen großen Wort, dass der Mensch einst erfand, weil er scheinbar neue Ideale brauchte, nach denen es sich zu streben lohnt. Schade, es ist wie mit der Liebe. Sie klingt viel zu perfekt, um Realität zu sein. Ein Zauber, den man nicht fangen kann und darf, um ihn nicht zu zerstören. Obwohl das mit der Liebe wohl etwas schwieriger ist als mit der Freiheit. Denn eine kostbare Freiheit besitzt wohl jeder von uns. Die Gedankenfreiheit. Sie kann mir nicht von einem Gesetz streitig gemacht werden. Es ist wohl so, dass ich oft Angst habe in der Monotonie zu versinken, fad zu werden, das Leben als gegeben zu betrachten. Um mich vom Gegenteil zu überzeugen denke ich auf einmal alles mögliche, obwohl es für die Gesellschaft unmöglich ist. Und nach dieser Reise schaue ich zum Mond. Mich trifft die Erkenntnis, dass er leider einen Fehler macht, er muss sich beweisen. Denn eigentlich sollte es reichen, seine Gefühle und seine Macht für sich selber zu erhalten, unabhängig der Meinung anderer. Ich bin froh, mir dessen bewusst geworden zu sein.


Meine Mutti kommt ins Zimmer und fragt, ob was los ist.
Klar ist es das, aber nur für mich. Deshalb sage ich „Nö, nichts, was die Welt verändern würde.“, „Okay, schlaf schön!“ Aber mich verändert es durch all die Kleinigkeiten. Ich muss lächeln und werfe dem Mond einen letzten Blick zu. Und (in Gedanken) sage ich:

Sorry, Moon, that’s freedom!


By Olivia Dittrich | 12.11.2000

Meergurken-Home