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von Tony
s war einmal ein einsamer, trauriger Wolf. Ihr wisst schon, der ohne Essmanieren, der immer Leute im Ganzen verschlingt, anstatt sie vorher fein säuberlich in Einzelteile zu zerlegen. Er war nun schon seit längerem arbeitslos und wie er so durch den kalten Winterwald strich, dachte er bei sich: ´Als Hartz IV- Empfänger hat man ein schweres Leben. Alle sind unterwegs - und ich hab nicht mal Taler für einen Fahrschnipsel. Die Geißlein sind über Weihnachten im Erzgebirge, angeblich weil es dort größere Standuhren gibt. Und das kleine Mädel mit dieser unsäglich roten Pudelmütze ist auch dauernd weg - Werbung machen für diesen blöden Sekt.`
Es dauerte aber nicht lange, da kam er auf eine Lichtung. Dort stand ein kleines Häuschen. Als der Wolf näher kam, sah er, dass es ganz aus Lebkuchen bestand.
´Wer kann schon in so einem Haus aus vegetarischen Naturalien leben?`, dachte der Wolf und klopfte neugierig an die Pfefferkuchentür. „Knusper, knusper knäusschen, wer knuspert an meinem Häuschen?“ kam es von drinnen. ´Hab ich mir doch gleich gedacht, die spinnen, die Vegetarier,…jedenfalls fast alle`, brummelte der Wolf.
Doch er antwortete höflich: „Ich bin nur ein armes wehrloses Geschöpf des Waldes. Könnt Ihr mir vielleicht etwas zu essen geben oder habt Ihr gar Arbeit für mich? Wenn ich es nämlich ehrlich bedenke - mir ist voll langweilig!“ Da öffnete sich die Tür und ein altes Weiblein stand darin und sprach: “Aha, der Wolf; hab ich mir doch gleich gedacht. Das trifft sich gut! Seit Wochen warte ich auf zwei Kinder, die ich zu braten gedachte – war alles mit den Eltern abgesprochen. Aber auf nichts kann man sich mehr verlassen. Müsste dringend mal meine Kusine besuchen, ihr ein wenig unter die Arme greifen. Hat wohl grad Stress mit sieben kleinwüchsigen Bergleuten, die aus dem Erzgebirge geflüchtet sind – angeblich weil dort zurzeit dauernd jemand Ihre Standuhren besetzt – komisches Volk. Wenn du derweil mein Haus hüten könntest und die Kinder solange warm hältst?“
„ Kein Problem, sagte der Wolf und ging hinein. Das Weiblein war bald verschwunden und es dauerte gar nicht lang, da hörte der Wolf Stimmen. ´Das werden sie sein`, dachte der Wolf freudig und versteckte sich hinter der Tür. Aus alter Gewohnheit trug er immer ein Stück Kreide bei sich. Die aß er nun, um seinem Besuch mit einem hohen Stimmchen aufzuwarten. Es klopfte dreimal energisch. „ Wer ist da draußen“, fragte er höflich mit feiner Stimme.
„ Guten Tag – wir sind vom Forstamt. Hier soll demnächst ein Schlossbau mit gleichzeitiger Heckenrosenbepflanzung beginnen. Wir möchten Sie bitten, uns Ihre Grundbesitzurkunde vorzuzeigen, rein formale Angelegenheit.“
Dem Wolf kam vor Schreck fast die Kreide wieder hoch. ´Hoffentlich find ich die Papiere von der Alten´, dachte er. Schnell zog er sich einen Rock über, band sich ein Kopftuch um und fand nach kurzer Suche die benötigte Urkunde unter dem Kopfkissen des Bettes. ´Rentnerinnen sind so berechenbar… `
Er öffnete die Tür und übergab die Urkunde. Die Beamten blickten abwechselnd von der Urkunde zum Wolf. ´Irgendwie passt der Name nicht zum Aussehen der Dame`, dachte der Eine, ´sie hat ja so furchtbar große Augen und Ohren und…, nee, da verwechsle ich jetzt was.`
„Äh, das geht in Ordnung… . Wir hätten nur noch eine Frage. Sie sind bei uns mit diversen Haushaltsgeräten angemeldet: ein Backofen Größe XXL, ein Käfig, ein Topf mit 500 Liter Fassvermögen. War denn da dieses Jahr der TÜV schon da?“
Der Wolf kam wieder ins Schwitzen: ´Wo bin ich denn hier gelandet, im Märchenland oder was? Was wollen die denn noch alles wissen?`
Doch da nahte Hilfe, ein weiterer Beamter kam in hastigen Schritten auf das Häuschen zu.
„Ein Notfall!“, rief er: „Auf Lichtung 11 b hat jemand ein offenes Feuer entfacht und tanzt dabei wie wild im Kreise!“
Die drei stürzten eilig auf und davon. Der Wolf atmete erleichtert auf und befreite sich aus seiner Verkleidung. Doch kaum hatte er sich zur Ruhe gesetzt, um ein wenig zu verschnaufen, da hörte er wieder Stimmen. ´Eigentlich war es im Wald doch schön ruhig´, dachte er aber dann dachte er an seinen Auftrag und versteckte sich pflichtbewusst hinter der Tür. Nach dem Klopfen meldete sich sofort eine energische Stimme:“ Guten Tag Herr Wolf, wir sind vom Amt für original getreues Märchenerzählen. Wir sind dafür zuständig das Kinder den Wert der Märchen schätzen und mit diesem Volksgut verantwortungsvoll umzugehen lernen! Wir sind durch die enge Zusammenarbeit mit dem Forstamt darauf aufmerksam gemacht geworden, dass hier im Moment eine grobe Verunglimpfung stattfindet. Für jeden Hinweis auf den Urheber dieses heillosen Durcheinanders wären wir Ihnen sehr dankbar! Wir würden es dann bei einer milden Bußstrafe in Form von Lebensmittelkürzung, sagen wir Kreiderationierung, bewenden lassen.“
Das war zuviel für den Wolf. `Erst bietet man einer alten Dame seine Hilfe an, dann zwängt sich in Omakleider, hält die ganze Zeit sinnlos den Ofen warm und jetzt kommt jemand und sagt, man wäre fehl am Platz.`
Und weil der Wolf eben doch ein ganz normaler Wolf war, fraß er den Beamten einfach auf. Natürlich wieder auf diese unappetitliche Art und Weise, die kein Mensch leiden mochte.
Und so kehrte wieder Ruhe ein:
Niemand fand je den Namen des tanzenden Männleins heraus, die Erzgebirgler ärgern abwechselnd Knusperhausbesitzerin und Kusine. Die Kinder laufen immer noch ziellos im Wald umher, weil sie vom vielen Fernsehgucken nicht mal den Kompass lesen können. Der Wolf hat es sich in dem Häuschen bequem gemacht und hat seinen essenstechnischen Schwerpunkt auf die Verspeisung aufdringlicher Beamter verlegt und das rotbemützte Mädchen macht nun auch noch Werbung für einen Weichkäse.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und wundern sich ein klein bisschen, dass alles anders gekommen ist, als sie sich vorgestellt hatten.
Ende
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