Titel: Urlaub und andere Grausamkeiten
Autor: Lapis
Teil: 05/10

Genre: Reale Welt
Rating: PG-12
Warnung: sap
Kommentar:
Disclaimer: Meins!
Inhalt: Wenn die Mutter mit dem Sohne... in den Urlaub fährt... und die Zeit danach...

"blablabla" = Gesprochenes
'rabarberrabarber' = Gedachtes
*wort* = Betonung


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Ich war sprachlos, ich glaube, ich fing sogar an zu stottern.

"Reg dich bloß nicht zu sehr auf! Es gibt für alles eine Lösung!"

Das war mir von den Lippen gegangen, einfach so ohne mein zutun herausgerutscht.

Ich war vielleicht gut, als ob ich ne Lösung parat hätte.

"Ich komme, Karsten, hörst du? Rühr dich bloß nicht vom Fleck, ich bin gleich da! Ich leg jetzt auf."

Oh mein Gott, wie konnte das nur passieren?

Gut, wie so etwas passierte wusste ich schon, aber ausgerechnet Karsten?

Karsten, der so erfahren war?

Ich schnappte mir meinen Rucksack, rannte nach draußen.

"Bin bei Karsten! Kann später werden!", rief ich in die Küche.

***

So schnell wie heute hatte ich noch nie die Stecke bis zu Karsten zurückgelegt.

Atemlos schob ich mein Bike in die Hofeinfahrt.

"Mensch, Karsten!"

Er fiel mir buchstäblich in die Arme.

Dann zog er mich ohne was zu sagen in sein Zimmer.

Auf dem breiten französischen Bett stand ein Tablett mit einem Käsebrot und einem Rotweinglas.

Die Tür zur Terrasse stand weit offen und ich konnte auf der weißen Liege draußen Decken und bunte Kissen im wilden Wirrwarr entdecken.

Wir gingen ins Freie und ließen uns auf dem Liegestuhl nieder.

"Was machst du? Wie ist denn das passiert?" sprach ich ihn auch gleich auf das Thema an.

Karsten war unter der leichten Sommerbräune blass und sah unausgeschlafen aus.

"Wenn ich das bloß wüsste! Eigentlich kann es nämlich gar nicht sein!"

"Wer ist die Mutter?"

Er stand auf und ging zurück ins Zimmer, kam dann aber gleich wieder mit dem Rotweinglas und einer vollen Flasche zurück.

Mit einem Zug trank er das Glas leer und schenkte sich noch einmal ein.

"Ich hab dich gar nicht gefragt, willst du auch eins?"

"So auf hohlen Magen...", sagte ich.

"Kannst auch was anderes haben. Bedien dich einfach, du weißt ja, wo du alles findest."

"Klar. Sag mal, wissen es deine Eltern schon?"

"Spinnst du? Was glaubst du, was die mit mir machen würden?"

Gut, war ne blöde Frage, ich geb es zu.

Aber was sagt man in so einer Situation?

Und überhaupt, wie verhält man sich?

Sollte man sich freuen?

Ich meine, so ein Baby, und dann auch noch sein eigenes, das war doch eigentlich schon niedlich.

Aber leider brachte es auch ne Menge Probleme und Verantwortung mit sich.

Also war wohl eher mit ihm trauern angesagt.

Karsten schenkte sich schon wieder ein, er sah total fertig aus, den Tränen nahe.

So hatte ich ihn noch nie erlebt.

Entschlossen nahm ich ihm das Glas aus der Hand.

"Das hilft dir jetzt auch nicht."

"Mann, ich weiß! Mir ist aber einfach danach."

"Kenn ich die Mutter?"

Er schüttelte den Kopf.

"Ich hab sie vor zwei Monaten auf ner Party kennengelernt. Da ist es dann ja auch passiert. Verdammt, ich kann das alles gar nicht wirklich glauben!"

Ich auch nicht!

Impulsiv nahm ich ihn in den Arm, zog ihn etwas näher an mich.

Er legte den Kopf an meine Schulter und kurze Zeit später war mein Hemd dort von seinen Tränen durchnässt.

Beruhigend stich ich ihm über den Rücken, ließ ihm Zeit.

'Er riecht gut', schoss es mir durch den Kopf und ich merkte, wie mich seine körperliche Nähe langsam aber sicher durcheinander brachte.

'Scheiße, dass ist jetzt absolut nicht der Moment für so etwas! Das hier ist mein bester Kumpel nicht Lucas! Und er hat ein gottverdammtes Problem in Form eines kreischenden Kleinkindes am Hals!'

'Na und, es gibt viele Möglichkeiten, jemanden zu trösten...'

Mein innerer Schweinehund war jetzt voll in Fahrt und zeigte meinem geistigen Auge Bilder, die mir die Schamesröte in die Wangen trieben.

'Hör auf! Das hier ist Karsten! K A R S T E N! Und ich liebe Lucas, schon vergessen?'

'Ach ja, bist du dir da wirklich sicher? Ich kann mich daran erinnern, dass du neulich noch sehr dagegen warst.'

'Spinnst du? Erst redest du mir ein ich würde Lucas lieben und jetzt fällst du mir in den Rücken? Außerdem, selbst wenn ich für Karsten mehr als nur Freundschaft empfinden würde, ich würde den Teufel tun, ihm das zu sagen! Schließlich ist er so hetero, wie es klar ist, das ne Kuh Milch gibt! Und jetzt verzieh dich, ich hab auch ohne dich schon genug Probleme!'

Ich erklärte gerade meine Innere Diskussion für beendet, als ich realisierte, das Karsten sich aus meiner Umarmung gelöst hatte und mit einer Hand vor meiner Nase herumwedelte.

"Hallo, Erde an Mandy! Bist du noch daha?"

"Äh, was? Hast du was gesagt?"

Ich wurde schon wieder knallrot.

Er sah mich vorwurfsvoll an und ich konnte mir schon denken, was er dachte: da sucht er bei mir Rat und Hilfe wegen eines Problems und ich drifte einfach in meine Gedankenwelt ab, toller Freund!

"Ich hab nachgedacht... Was willst du jetzt machen? Ist es eigentlich sicher, dass das Kind von dir ist? Ich meine, wer weiß mit wem die noch alles in der Kiste war? Vielleicht vermutet sie ja nur, dass du der Vater bist und weiß es selber nicht so genau. Bist du dir überhaupt sicher, ob sie wirklich schwanger ist? Was, wenn sie sich täuscht? Oder dich angelogen hat? Oder sich einfach nur einen Spaß mit dir erlaubt hat?"

Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus und ich weiß nicht, wer darüber erstaunter war, Karsten oder ich.

"Na ja, ich denke schon, dass das Kind von mir ist, wenn sie es sagt. Aber sicher bin ich mir natürlich nicht, ich hab sie danach ja nicht mehr gesehen, bis sie vor ein paar Tagen plötzlich vor der Tür stand und es mir gesagt hat. Und warum sollte sie mich anlügen? Und ich finde nicht, dass das ein Thema ist, bei dem man sich einen solchen Spaß erlaubt!"

Stimmt, da hatte er recht.

Ich sehe uns jedenfalls nicht lachen.

Aber da gab es ja noch so eine Sache...

"Hmm, hast du eigentlich verhütet?", wagte ich schließlich zu fragen.

"Natürlich! Für was hältst du mich? Aber weißt du, wie oft so was schief gehen kann?"

"Ist ja schon gut... Will sie das Kind denn behalten? Ich meine, die ist doch sicher nicht älter als wir, und dann ein Kind..."

"Weiß ich doch nicht! Aber wenn sie es abtreiben lässt, müsste sie sich schon beeilen. Das kann man doch nur bis Ende des dritten Monats, oder?"

Ich zuckte die Schultern, so genau kannte ich mich nun nicht aus.

"Und was machst du, wenn sie es behält und es tatsächlich von dir ist?"

"Woher soll ich das wissen, Mann? Wahrscheinlich Schule abbrechen und ne Ausbildung anfangen, damit ich den Unterhalt zahlen kann. Mann, mein Alter bringt mich um!"

Schule abbrechen?

Ausgerechnet Karsten, der so gerne Sportmedizin studiert hätte?

Ich musste schlucken, das war irgendwie wie ein Schlag in den Magen.

Denn das würde automatisch bedeuten, dass er viel weniger Zeit für mich hätte.

Und das war eine grauenhafte Vorstellung.

Plötzlich fiel mir etwas ein.

"Einen Vaterschaftstest! Du kannst doch einen Vaterschaftstest machen. Dann zeigt sich, ob du wirklich der Vater bist."

"Na toll, das nutzt mir *jetzt* ja furchtbar viel. Muss man da nicht warten, bis das Kind auf der Welt ist?"

Ich schmollte ein bisschen.

Er brauchte mich ja nicht gleich so anzufahren.

Ich wollte ihm schließlich nur helfen.

"Woher soll ich denn das wissen? Du bist doch schon immer der Spezialist gewesen, wenn es ums Thema Frauen ging."

"Scheiße! So eine gottverfluchte Scheiße!"

Karsten zitterte am ganzen Körper und griff wieder zum Weinglas.

Schweigend sah ich ihm zu, wie er drei weiter Gläser hinunterstürzte, bevor ich ihm das Glas erneut aus der Hand nahm.

"Hör mal, du musst mit dem Mädchen darüber reden."

"Was? Warum denn das?"

"Pff, blöde Frage. Denk mal nach. Wenn das Kind nun wirklich von dir ist und sie es ganz sicher zur Welt bringt und danach nicht zur Adoption freigibt, dann hast du halt gottverdammte Pflichten dem Kind gegenüber."

Eine zeitlang schwiegen wir uns an.

Ich wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte und Karsten Offensichtlich auch nicht.

Wenigstens hatte er aufgehört, sinnlos Alkohol in sich rein zu schütten.

Wenn das nämlich so weiter ging, war er spätestens in einer Stunde hackedicht.

Und dann wurde er unberechenbar.

Ich setzte mich mit gekreuzten Beine auf das Kopfende der Liege und Karsten legte sich der Länge nach darauf, den Kopf auf meine Beine gelegt.

So saßen wir früher auch immer und es war etwas selbstverständliches für uns.

"Was würdest du tun?", fragte er schließlich leise.

Tja, was würde ich tun?

Sicher nicht von der nächsten Brücke oder vor den nächsten Zug springen.

Nachdenken, logisch.

Und mit Mama darüber reden.

Aber das war für Karsten wohl etwas problematisch.

Seine Eltern interessierte es selten, ob er Probleme hatte oder nicht und wie er sie löste war ihnen schon dreimal egal.

Gedankenversunken spielten meine Finger mit seinem Haar.

So weich...

"Und?"

"Hm, ich weiß nicht. Vermutlich mit meiner Mutter darüber reden. Und mit dem Mädchen. Aber sonst? Keine Ahnung."

Wieder schwiegen wir, ich wickelte langsam Strähnchen um meine Finger, zupfte daran.

Was ich tat merkte ich erst, als er nach meiner Hand griff und sie fest hielt.

"Autsch! Das ziept."

"Oh. Tschuldigung, hab ich gar nicht bemerkt."

Ich wollte gerade meine Hände zurückziehen als er nur mit den Schultern zuckte und meinte: "Schon o.k."

"Ach ja?"

Ich sollte ihn von seinen Problemen ablenken...

Ich grinste fies und beugte mich tiefer über ihn, sah ihm in die Augen und zog kräftiger an ein paar Strähnchen.

"Aua!"

Am liebsten währe er jetzt wohl hochgeschossen, aber er ließ es bleiben,
1. weil wir sonst mit der Stirn schmerzhaft zusammengekracht wären und
2. weil es wohl noch mehr gezogen hätte, da meine Finger noch immer in seinem Haar verwoben waren.

"Mann, bist du gemein!"

Er versuchte mich böse anzuschauen, was ihm aber nicht gelang.

Ich zog einen Schmollmund und meinte nur: "Aber es hat dich abgelenkt, oder? Und jetzt erzähl mir mal von deinem Urlaub! Wie war es?"

Er seufzte.

"Total langweilig! Nächstes mal kommst du mit, damit das gleich mal klar ist! Echt, alleine war es sterbensöde, keiner, mit dem man über irgendwelche Typen herziehen konnte und alleine Mädchen anzumachen ist auch langweilig."

"Oh! Du Armer, was tust du mir leid, dass deine Eltern ein Ferienhaus auf Mallorca haben und du dort immer deine Ferien verbringen kannst!"

Während ich das sagte zog ich immer wieder sanft an seinen Haaren, bis es ihm zuviel wurde und er anfing, mich zu kitzeln.

Augenblicklich ließ ich von seinen Haaren ab und versuchte seine flinken Hände aufzuhalten, die mich erbarmungslos in die Seite pieksten.

Kichernd wand ich meine Beine unter seinem Kopf hervor und sprang von der Liege, ließ mich mit einem Sicherheitsabstand von fünf Metern japsend auf den Boden sinken.

Karsten lachte mich an und streckte mir die Zunge raus: "Bäh! Jetzt hab ich die Liege wieder für mich ganz allein!"

"Oh, na warte, du kannst was erleben!"

Meine Rache war schrecklich, jawohl!

Ich schnappte mir die Kissen und bombardierte ihn damit und kurze Zeit später war eine heftige Kissenschlacht im Gange, bei der wir uns auch die Decken um die Ohren hauten. [1]

Japsend und kichernd lagen wir schließlich quer über dem Liegestuhl, der uns als Barriere gedient hatte.

Für ein paar Augenblicke waren alle Probleme vergessen gewesen, es gab nur noch die unbeschwerte Zeit zwischen uns, die mich irgendwie an meine Kindheit erinnerte.

Karsten strich mir eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht, ich hatte in der Eile heute morgen total vergessen, meine übliche Frisur herzustellen.

"Übrigens, schöne Haarfarbe, steht dir gut."

"Höh? Ach so. Danke."

Er grinste mich unschuldig an, ehe er mir nochmals ein Kissen ins Gesicht klatschte.

"He! Für was war denn das jetzt!", beschwerte ich mich.

"Och, ich hatte halt Lust drauf. Los komm, ich glaub, es fängt bald an zu Gewittern, schau dir mal den Himmel an."

Ich blickte nach oben und wirklich, drohend hingen dicke dunkelgraue, fast schwarze Regenwolken am Himmel.

Theatralisch stöhnte ich auf und half Karsten dann, die Kissen und Decken in sein Zimmer zu bringen, nicht zu vergessen den Rotwein.

Drinnen warf er einen Blick auf die Uhr, es war bereits halb zwei.

"Komm, schmeißen wir uns ne Pizza rein, ich hab voll Kohldampf!"

Ich hörte mich nicht nein sagen, schließlich hatte ich seit gestern Mittag nichts mehr gegessen und mein Magen befand sich inzwischen so auf der Höhe meiner Kniekehlen.

***

Nach dem wir genüsslich Pizza verdrückt hatten lümmelten wir nun gemütlich auf dem breiten Bett in Karstens Zimmer.

Draußen wurde es immer dunkler und man konnte schon aus der Ferne das Donnergrollen hören.

Wir erzählten uns gegenseitig von unserem Urlaub und ich zeigte ihm auch die Fotos, die ich noch im Rucksack hatte.

Karsten kringelte sich vor lachen und schien gar nicht mehr damit aufhören zu können.

Von seinen Problemen hatte ich ihn offensichtlich erfolgreich abgelenkt.

Schließlich boxte ich ihn nicht gerade sanft in die Seite, setzte meinen bösen Blick auf, der eh niemanden beeindruckte, mich aber ungemein zufrieden stellte, schließlich hatte ich es ja versucht, gell und fragte ihn, was daran denn so unglaublich komisch sei.

"Und er hat dich tatsächlich über den Strand getragen? Ja? So richtig, auf beiden Armen, nicht Huckepack?"

Karsten kicherte schon wieder.

"He, ich fand das in dem Moment nicht wirklich lustig, mein Fuß hat höllisch weh getan! Das Herumgetrage war mein kleinstes Problem!", beschwerte ich mich.

Aber Karsten hörte mir offensichtlich gar nicht zu.

"Und er hat dich wirklich für ein Mädchen gehalten, ja? Und du hast tatsächlich eine *Miss*-Wahl gewonnen?"

Ich setzte mich auf die Bettkante.

Karsten stellte sich vor mich hin, verbeugte sich spöttisch und sagte gespielt ernst: "Gnädige Frau, darf ich Sie zu diesem Tanz auffordern?"

Er packte mich, hob mich hoch, wie damals Pietro am Strand und drehte sich ein paar mal mit mir im Kreis ehe er mich wieder absetzte und lachend auf dem Bett zusammenbrach.

Es verletzte mich tief, das Karsten sich darüber lustig machte.

Von ihm hätte ich das eigentlich gar nicht erwartet.

Enttäuscht und ein wenig wütend packte ich die Bilder wieder weg und wollte gerade aufstehen, als er mich am Arm fest hielt.

"Hey, bist du sauer? Sei doch nicht gleich eingeschnappt, ich hab das doch nicht ernst gemeint!"

"Hat sich aber verdammt danach angehört", fauchte ich ihn an.

Erst heulte er sich bei mir aus und dann machte er sich über mich lustig, aber mit mir lief das nicht.

"Ich entschuldige mich!"

Er drehte mit der anderen Hand mein Gesicht zu sich herum und hatte diesen Blick aufgesetzt, den er sonst eigentlich nur bei Mädchen gebrauchte um sie rum zu kriegen.

Ich fühlte, wie mein Ärger sich verflüchtigte und ein angenehmes Kribbeln im Bauch einsetzte.

Aber so leicht wollte ich es ihm nun doch nicht machen!

Ich drehte mich also wieder weg und wollte gerade seinen Griff um meinen Arm lösen, als er mich noch ein Stück weiter aufs Bett zerrte und sich auf meine Oberschenkel setzte.

Ich verfluchte es, dass ich so ein Schwächling war und gegen Karsten absolut nichts ausrichten konnte.

"Was soll das?", zischte ich.

"Ich hab mich gerade entschuldigt, also sei mir bitte nicht böse. Bitte! Und außerdem, die Vorstellung, wie der Kerl dich durch die Gegend trägt und so, die war halt nun mal witzig. Dich haben bestimmt ne Menge Kerle angemacht, stimmt’s?"

Er kicherte schon wieder.

Ich sah in fassungslos an.

So wie heute war er noch nie drauf gewesen.

Ob der Alkohol dran schuld war?

Nachwirkungen oder so was.

Soll es ja geben.

"Findest du das witzig oder was? Würdest du drüber lachen, wenn dich die ganze Zeit irgendwelche Kerle anmachen? Häh? Würdest du das amüsant finden?"

"Nein, aber bei dir verstehe ich die Kerle. Du bist aber auch zu niedlich."

Schock!

Das hatte er doch nicht wirklich gesagt, oder?

Unsicher sah ich ihn an, dann bemerkte ich seine geröteten Wangen.

"Sag mal, hast du vorhin, als ich telefoniert habe, die Rotweinflasche geleert?"

Ich hatte ihn nur für knappe drei Minuten aus den Augen gelassen und er kippt ne fast volle Flasche?

Passte eigentlich nicht zu ihm, aber vielleicht hat die unerwartete Vaterschaft bei ihm einfach nen Kurzschluss ausgelöst.

"Nö", sagte er mit einem breiten Grinsen. "Was viel besseres."

Mit diesen Worten krabbelte er von mir und zum anderen Ende des Bettes, beugte sich herunter und hielt mir dann eine fast leere Bacardi-Cola-Flasche unter die Nase.

"Hier, willst du den Rest?"

Mann, kein Wunder das der so drauf war.

Ich schüttelte den Kopf, packte ihn am Handgelenk und zog ihn mit mir vom Bett.

"Hey, was ist los?"

"Nichts, ich will dir nur mal kurz was zeigen."

In so einem Fall half nur ne Radikalkur.

Und was bei Karsten am Besteh half wusste ich aus langjähriger Erfahrung als leidgeprüfter Freund.

"Häh, was könntest du mir in meinem Haus schon zeigen?"

"Das siehst du dann."

Ich zog ihn mit ins Badezimmer, setzte ihn auf den Klodeckel und sagte harsch: "Bleib bloß sitzen!"

Dann stellte ich die Dusche auf eiskalt und machte sie an.

Karsten schien wohl zu ahnen, auf was diese Aktion hier aus lief und wollte gerade aufstehen, als ich ihn wieder packte und hinter mir her zur Duschkabine zerrte.

"He, wart mal, das kannst du nicht machen!"

"Du würdest dich wundern, was ich alles kann!"

Da ich keine Chance hatte, ihn allein unter das kalte Wasser zu bekommen stellte ich mich kurzerhand mit drunter.

Und es war verdammt kalt!

Karsten neben mir schrie erschrocken auf und ich konnte mir ein Keuchen auch nicht unterdrücken, trotzdem zwang ich ihn, darunter stehen zu bleiben.

Wie ich das allerdings geschafft hatte, blieb mir ein Rätsel.

Bibbernd und klatschnass standen wir dann fünf Minuten später wieder in Karstens Zimmer, welcher wieder total nüchtern war und mich böse anfunkelte.

"Mann, so rabiat hättest du das gar nicht machen müssen!"

"Ja, ja, schon verstanden. Aber immerhin hat es sehr gut geholfen. Gib mir lieber was trockenes und warmes zum anziehen!"

Zähneklappernd und frierend stand ich vor seinem Kleiderschrank.

Nach kurzen Überlegungen reichte er mir eine Boxershort, ein verwaschenes, blaues T-Shirt und ebenfalls verwaschene blaue Jeans.

Ich wusste, dass ich in seinen Kleidern praktisch zwei mal reinpassen würde, aber im Moment war mir alles egal, Hauptsache trocken und warm.

Rasch zog ich mich um, packte danach seine und meine Klamotten und schmiss sie in die Badewanne.

Immer noch zitternd setzten wir uns eine Viertelstunde später mit Chips und Cola auf die Couch vor den Fernseher, drapierten drei Decken um uns herum und frierten dennoch.

Da mir die Kälte zu blöd wurde, zog ich die Knie ganz nah an meinen Oberkörper und rutschte noch näher zu Karsten hin.

Ihn schien das nicht zu stören, eher im Gegenteil, er kam auch ein Stück näher zu mir und schließlich sahen wir uns eng aneinandergekuschelt den ersten Teil von American Pie an.

Sehr viel bekam ich vom Film nicht mit, vielmehr war ich damit beschäftigt, meine Gedanken und Fantasien im Zaum zu halten, denn sonst hätte ich wohl für nichts mehr garantieren können.

Meinen Hormonen war es offenbar total egal, wo und mit wem...

Und das ihr Objekt der Begierde auch noch ein riesiges Problem hatte...

***

"Scheiße, hoffentlich hört da bald auf!"

Ich stand vor der Terrassentür in Karstens Zimmer und starrte in den Regen.

Pha, Regen konnte man das nun wirklich nicht mehr nennen, eher Sinnflut oder Wolkenbruch oder so.

Seit mehreren Stunden ging das nun schon so und die Uhr bewegte sich langsam aber sicher auf die halb neun zu.

"Mann, macht doch nichts, Mandy. Dann schläfst du halt bei mir, wo ist das Problem?"

Stimmt, wo liegt das Problem.

Früher hatte ich das auch gemacht.

'Genau, warum schläfst du nicht einfach bei ihm. Das Bett sieht supergemütlich aus und zu zweit ist es schön warm. Und früher habt ihr auch in einem viel schmaleren Bett, nämlich deinem, zusammen geschlafen.'

'Ja, aber das war bevor *du* dich ständig in meine Gedanken eingemischt hast und mir solche Träume und Bilder gezeigt hast. Das war, bevor ich mir selbst eingestanden hab, das ich schwul bin. Bevor du mir heute hast weismachen wollen, dass Karsten derjenige welcher ist und...'

'Ja, ja, schon gut, gib immer nur mir die Schuld, du bist ja ein reines unschuldiges Engelchen, nicht wahr?'

'Schnauze! Hab ich nicht gesagt du sollst dich nicht mehr blicken lassen? Was willst du also hier?'

'Mich amüsieren...'

"He, Mandy, Träumer, wach auf!"

Karsten schüttelte mich leicht und riss mich so zurück in die Wirklichkeit.

Auffordernd hielt er mir den Telefonhörer unter die Nase.

"Los, ruf deine Mutter an und sag ihr, dass du heut hier schläfst. Bei dem Wetter kann sie nicht verlangen, dass du nach Hause fährst. Ich bin solang in der Küche und mach ein paar belegte Brötchen."

Verdattert sah ich Karsten hinterher, mir war gar nicht bewusst geworden, dass ich mit ihm zusammen in den Flur zum Telefon gelaufen bin.

Ich seufzte.

Vor dieser Nacht hatte ich den totalen Horror, aber jetzt konnte ich nicht mehr zurück.

***

"Mandy?"

"Mmm." (Nerv nich)

"Schläfst du schon?"

"Mmmm." (Stell doch noch blödere Fragen)

"Kannst du auch mal ordentlich antworten?"

"Mm." (Nich um die Uhrzeit)

Schweigen.

Nanu, sag bloß er hat es kapiert, das ich müde war und nicht unbedingt reden wollte.

Ich war nämlich zu sehr damit beschäftigt, meine Fantasien zu zügeln, die sich angesichts der Tatsache, dass wir beide nur mit Boxershorts im französischen Bett lagen auf Hochtouren selbstständig machen wollten.

"Wie war eigentlich dein Erstes Mal?"

Wie mein Erstes Ma-

"WAS?!?"

Jetzt war ich hellwach!

Kerzengerade fuhr ich hoch und starrte in die Dunkelheit des Zimmers.

"Na ja, dein erster Sex, wie war der?"

Schweiß brach mir aus allen Poren, was sollte ich darauf denn sagen?

Würde Karsten sich darüber lustig machen?

Mit siebzehn noch Jungfrau...

In der heutigen Zeit war das ja schon was sehr seltenes.

"Magst du nicht mit mir drüber reden?"

"Hm... na ja... ich würde ja schon mit dir drüber reden, aber..."

Gott, war ich froh, dass es so dunkel war, mein Gesicht machte schon wieder einer überreifen Tomate Konkurrenz.

"Aber...?"

"Na ja, weist du... ich... also ich... ich hab... äh... ich hab noch nie..."

Neben mir raschelte es, aber ich konnte Karstens Bewegungen nicht sehen.

Ich ließ mich wieder nach hinten fallen, drehte mich auf den Bauch und drückte mein heißes Gesicht in das Kissen.

"Du hast noch nie...?", erklang es neben mir ungläubig.

Schweigen.

"Echt? Ich meine, du siehst doch gut aus und hast bei den Mädels doch auch keine schlechten Karten. Und da hast du echt noch nie Sex gehabt?"

"Nein."

"Aber da war doch mal die eine da, die aus der Paraklasse, die dir die ganze Zeit hinterher gerannt ist und du hast doch gesagt, du würdest sie ganz sympathisch finden, warum hat sich mit ihr nichts ergeben?"

Oh je.

Sollte ich ihm jetzt sagen, dass ich schwul war?

Nein, lieber nicht!

"Na ja, ich finde, es gehört mehr dazu, nur jemanden sympathisch zu finden", redete ich mich heraus, was eigentlich auch stimmte, ich würde nie mit jemanden in die Kiste steigen, den ich nur sympathisch finden würde. "Ich will das Erste Mal mit jemandem erleben, den ich wirklich aus tiefstem Herzen liebe, dem ich total vertraue. Nicht mit irgend jemand x- beliebigen, nur weil ich ihn halt sympathisch finde. Und außerdem muss dieser jemand mich auch lieben."

"Hm."

Wieder Schweigen.

Ich drehte mich wieder auf den Rücken, starrte blicklos vor mich hin.

"Aber geküsst hast du schon mal, oder?"

"Sag mal, was soll die Fragerei? Warum interessiert dich das so?"

"Och weißt du, mir ist heute nur mal klar geworden, dass ich dir ständig davon erzähle, aber ich über dieses Thema von dir gar nichts weiß. Und wir sind doch Freunde, also sollten wir doch darüber reden können."

"Aha."

"Und?"

"Na ja,... ein Mal, meinen ersten richtigen Kuss nicht mit einbezogen, den hab ich nämlich nicht als Kuss empfunden."

"Was? Dann bist du ja noch ein richtiger Anfänger! Das müssen wir aber ändern."

Schlagartig war es hell im Zimmer, Karsten hatte die Nachttischlampe angeknipst.

"Arg! Willst du, dass ich blind werd? Mach sofort das Licht wieder aus!"

Noch weitere Nettigkeiten vor mich hin brummelnd versteckte ich mein immer noch leicht gerötetes Gesicht unter der Bettdecke.

Was meinte er bloß mit: das müssen wir ändern?

'Willst du das wirklich wissen? Wahrscheinlich schleppt er dich morgen in alle möglichen Discos und will dich dazu bringen, dich von irgend welchen Mädchen abknutschen zu lassen.'

'Danke, so genau wollte ich das nun doch nicht wissen. Außerdem glaub ich nicht, dass er so etwas machen würde!'

'Ach ja? Wie soll er es denn sonst gemeint haben?'

'...'

'Na siehst du!'

Plötzlich wurde mir die Bettdecke weggezogen und Karstens Gesicht war ganz nah an meinem.

Unsere Nasenspitzen trafen sich beinahe.

'Der will doch wohl nicht...?!'

'Ja, ja, ja! Los doch, mach schon!'

'Sag mal, spinnst du? Du willst doch nicht ernsthaft, dass er mich küsst? Bist du noch ganz knusper?'

'Wieso, du willst ihn doch auch küssen, oder nicht?'

'*NEIN*!'

'Wer das glaubt wird se-'

'Halt die Klappe! Du widerliches Etwas, verschwinde doch einfach und lass mich in Ruhe!'

Unsicher sah ich Karsten in die Augen.

Wunderschön waren sie, rehbraun, mit ein paar lustigen goldenen Pünktchen.

Und sie schienen immer näher zu kommen.

Genau wie diese verführerischen Lippen, die leicht geöffnet waren und feucht glänzten.

Wie sie wohl schmeckten?

Nervös fuhr ich mir mit der Zunge über meine plötzlich so trockenen Lippen und ohne mein zutun erschien auf einmal Lucas Gesicht vor meinen Augen.

Genau!

Ich liebte doch Lucas, oder?

Warum war ich dann gerade im Begriff meinen besten Freund zu küssen - oder mich küssen zu lassen?

Ich wollte gerade ein bisschen von Karsten wegrücken, als dieser auf einmal trocken auflachte, mir durch die Haare wuschelte, nur meinte: "Guck nicht so ängstlich, ich hätte dich schon nicht gefressen.", mir den Rücken zuwandte und das Licht ausmachte.

"Gute Nacht. Und angenehme Träume."

Häh?

Jetzt war ich völlig durcheinander.

Was sollte das jetzt?

'Das hast du nun davon! Du hättest ihn küssen sollen, als du die Möglichkeit hattest! So schnell bekommst du keine so supergute Chance mehr!', jammerte mein Inneres.

'Klappe! Ich sagte doch schon mehrmals, dass ich mit dir nicht diskutieren möchte. Außerdem liebe ich *Lucas* schon vergessen? Warum also sollte ich dann Karsten küssen? Und jetzt lass mich schlafen.'

Natürlich schlief ich schlecht, Alpträume plagten mich, in denen Karsten und Lucas sich ein Gesicht teilten und ich mir wirklich nicht sicher war, wen von beiden ich nun wirklich wollte.

***

Ich wachte auf, weil etwas an meine Haaren zupfte.

Grummelnd drehte ich meinen Kopf so, dass ich mein Gesicht in das Kissen drücken konnte.

Nur leider war da kein Kissen.

Wie von der Tarantel gestochen riss ich die Augen auf, als ich unter meinem Gesicht warme, glatte *Haut* spürte.

Was zum Teufel...?

"Na du, auch schon wach? Hast du wenigstens gut geschlafen?"

Karsten kicherte und mein Kopf auf seinem Brustkorb hob und senkte sich, ich konnte seinen Herzschlag hören.

Blut schoss mir ins Gesicht als ich mich langsam erhob, um ihm in die Augen zu sehen.

Ein verschmitztes Lächeln lag auf seinen Lippen.

"Tschuldigung", murmelte ich und wandte das Gesicht ab.

Er lachte wieder.

"Warum denn, ist doch nicht schlimm. Kannst ja nix dafür, das du ein kleines, verschmustes Kätzchen bist."

"Was?!"

Hatte ich richtig gehört?

Mein bester Kumpel bezeichnete mich als kleines, verschmustes Kätzchen?

War ich mir auch sicher, dass ich nicht träumte?

"Wusstest du eigentlich, das du im Schlaf redest?"

"WAS?!"

So viele Schocks an einem Morgen, das ich noch keinen Herzanfall hatte war auch schon ein Wunder.

"Ja, aber ich hab nix verstanden, du hast wie so ein kleines Baby vor dich hin gebrabbelt."

Oh Gott, warum konnte sich nicht einfach ein Riss im Erdboden mich einfach so mal eben verschlingen?

Warum passierten solche peinlichen Sachen aber auch immer mir?

Na ja, wenigstens hab ich nichts gesagt, das irgendwie heikel werden könnte.

"Lass uns Frühstücken, ich hab Hunger", lenkte ich Karsten wieder auf etwas, wo ich ohne Sorge drüber losplappern konnte.

"Kein Wunder, ist ja auch schon halb elf", informierte mich Karsten.

"Warum hast du mich denn nicht schon früher geweckt?"

Neiiin, jetzt war ich ja wieder beim Ausgangsthema!

Ich Esel, ich Volltrottel, ich...

"Weil du so niedlich ausgesehen hast."

... Blödmann, ich riesen Rindvi-

WAS?

Ungläubig starrte ich Karsten an.

Er fand das ich beim Schlafen niedlich aussah?

Fast schon automatisch hob ich eine Hand an seine Stirn.

"Hast du Fieber?"

"Nein."

"Hast du irgendwelche Medikamente genommen, deren Nebenwirkungen unbekannt sind?"

"Nein."

"Wurdest du von Aliens entführt?"

"Nein."

"Hat man dich einer Gehirnwäsche unterzogen?"

"Nein."

"Nachwirkungen vom Alkohol gestern?"

"Nein."

"Hast du einen Sonnenstich bekommen?"

"Nein."

"Wieso sagst du dann Dinge, die der Karsten, den ich kenne niemals sagen würde?"

Schweigen.

Schließlich: "Das kann ich dir nicht sagen..."

"Höh? Warum nicht? Ich dachte, Freunden kann man alles sagen."

"Ja, aber das... nein, das kann ich dir nicht sagen. Oder zumindest noch nicht..."

"Aha."

Irgendwie machte mir das Sorgen.

Was konnte schon so schlimm sein, dass er es mir nicht sagen konnte?

Ich erzählte ihm schließlich auch alles.

'Lüge! Das mit Lucas hast du ihm noch nicht erzählt!'

'Mit Lucas ist ja auch noch nichts! Und das ist nichts, was man so einfach erzählen kann! Und halt jetzt endlich die Klappe!'

Karsten krabbelte aus dem Bett, ich hinterher.

"Los doch, ich hab auch voll den Kohldampf."

"Ja, ja", maulend folgte ich ihm in die Küche, wo wir erst mal den Kühlschrank plünderten.

***

"Also, ich ruf dich dann noch mal wegen morgen früh an!", rief Karsten mir hinterher.

"Jaha! Bis dahann!", trällerte ich zurück.

Das Frühstück war ausgezeichnet, draußen scheinte wieder die Sonne und irgendwie war meine Laune auf einmal wieder top.

Karsten und ich hatten beschlossen, die letzten Ferientage zu nutzen und morgen auf alle Fälle ins Freibad zu gehen.

Fröhlich pfeifend fuhr ich mit meinem Bike nun Richtung Heimat, als ich ein leises, aber stetiges 'ffffff' wahrnahm.

Das wird doch nicht...

Leider war es.

Ich stieg vom Fahrrad und begutachtete den Schaden.

Toll, im Hinterrad die Luft draußen, Flickzeug zuhause vergessen.

Na, dann hieß es jetzt wohl schieben.

Ich bog gerade in die nächste Straße ein, als mir auffiel, dass das die Gegend war, in der Lucas wohnte.

Ich könnte doch...

Jetzt wo ich doch einen so offensichtlichen Grund hatte...

Lucas besaß bestimmt Flickzeug!

Ich grinste.

Endlich konnte ich ihn wieder sehen, nicht nur gedanklich.

Das kribbeln in meiner Bauchgegend war auf einmal wieder deutlich wahrnehmbar.

Es dauerte nur ein paar Minuten, bis ich das richtige Wohnhaus fand.

Suchend ließ ich meinen Finger über die Klingeln gleiten.

Da, Berger, Lucas.

Zusammen mit zwei anderen Namen.

Oberste Klingel, also Dachgeschoss, oder?

Ich schob mein Bike in den Hauseingang und machte mich ans Treppensteigen.

Mit jeder Stufe, die ich höher kam wuchs meine Aufregung.

Sollte ich nicht doch lieber wieder gehen?

Was wenn er gerade Besuch hatte?

Oder wenn nur dieser Komiker Toby da war?

Oder er mich überhaupt nicht sehen wollte?

Aber er hat mir schließlich geschrieben, also so schlecht konnte er von mir nun auch nicht denken.

Oder?

Mit klopfendem Herzen - und das lag nicht nur am Treppenaufstieg - stand ich schließlich vor der Tür, streckte langsam meine Hand in Richtung Klingel aus.

Noch konnte ich einfach wieder umdrehen und gehen.

Noch war es noch nicht zu spät.

***

Ende Teil 5
C&C??
*lieb guck*

Tja, über diesen Teil hab ich mich furchtbar aufgeregt, weil er nicht so werden wollte, wie ich ihn gerne hätte, aber jetzt gibt es ihn nun mal so.^^ Seid mir nicht böse!!

[1] Jungs sind ja sooooo kindisch *g*


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T E I L 6 Titel: Urlaub und andere Grausamkeiten Teil: 6/? Autor: Lapis E-Mail: lapis_chan@gmx.net Warnung: sap, ein Kuss (endlich^^) Disclaimer: Meins! Inhalt: Wenn die Mutter mit dem Sohne... in den Urlaub fährt... und die Schrecken der Rückkehr... "blablabla" = Gesprochenes 'rabarberrabarber' = Gedanken *wort* = betont *** URLAUB UND ANDERE GRAUSAMKEITEN Ich drückte den Klingelknopf. Jetzt war es entschieden. Es gab kein Zurück. Keine zwei Augenblicke später wurde die Tür geöffnet. Von Lucas persönlich. In mir zog sich alles zusammen, diese Gefühle waren der echte Wahnsinn, einfach unbeschreiblich!! Es war, als würde ich ihn nach etlichen Jahren, ach was, Jahrzehnten endlich wiedersehen!! Am liebsten wäre ich im um den Hals gefallen, aber das wäre dann ja doch zu auffällig gewesen und ich glaube, ich hätte es mir dann doch nicht getraut. "Hi. Sorry, das ich hier so einfach reinplatze, aber bei meinem Fahrrad ist im Hinterreifen die Luft raus und da ich gerade in der Nähe war da-" "Wunderbar! Aber komm erst mal rein!" Schon wurde ich in die Wohnung gezogen. Die Techno-Musik, von der ich vorhin glaubte, sie mir nur eingebildet zu haben wurde wieder aufgedreht. Der Raum war riesig, erinnerte mich eher an ein Atelier. "Komm setzt dich." Lucas schob mich in eine Sitzecke des Raumes und fegte dann Fotos und Krümel von der Tischplatte. Von hier aus hatte ich einen viel besseren Blick über die Szene. "Toby macht gerade ein paar Werbefotos", brüllte Lucas zu mir herüber, anders hätte ich ihn bei dieser Lautstärke wohl auch gar nicht verstanden. Toby musste dann wohl das Hinterteil ohne Kopf, aber dafür mit Kamera sein. Eine Menge weißes Papier in langen Bahnen war vor ihm aufgehängt und bildete den Hintergrund für seine Fotos. Ein Mädchen mit sehr heller Haut und pechschwarzer Afrofrisur posierte, ihr Make-up war zu dick und übertrieben aufgetragen. Sie posierte ziemlich affektiert, fand ich, aber ich hatte da wohl auch keine Ahnung davon. Sie schob mal die linke, mal die rechte Schulter nach vorne, in einer Linie zum Kinn; den grellrot geschminkten Mund hatte sie leicht geöffnet und die Augen unter den Wimpern hatten einen dahinschmelzenden Ausdruck wie auf den Fotos von hundert Jahre alten Hollywoodstars. Ich war wirklich nicht der Meinung, dass dies die modernste Art der Fotografie darstellte, aber sicher war ich mir nun doch nicht. Lucas ging gerade zu Toby und brüllte diesem etwas ins Ohr, worauf der die Anlage leise drehte und sich dem Mädchen zuwandte. Lucas wandte sich wieder mir zu und sagte: "Ich bin erfreut, dich hier zu sehen. Hätte nicht gedacht, das du so unkompliziert bist." Ganz klar wusste ich zwar nicht, was er damit meinte, aber ich sagte trotzdem: "Ich auch nicht." Er lachte und warf seinen Pony wieder in dieser bestimmten Art zurück, die es mir irgendwie angetan hat. "Kommt nicht oft vor, dass sich jemand so junges und unschuldiges in diese Räuberhöhle herauftraut. Er strahlte mich an und ich fühlte, wie meine Wangen rot wurden. In der Ecke nahm das Model gerade eine neue Pose ein und Lucas folgte meinem Blick. "Das ist Amelia. Sie kommt aus den Staaten und ist Tobys neuester Star. Sieht aus wie ein Engel, nicht wahr? Aber du solltest mal ihre Stimme hören." "Wieso? Singt sie auch?", fragte ich leichthin und war nun wirklich nicht der Ansicht, dass sie wie ein Engel aussah. Waren Engel nicht für gewöhnlich mit blondem Rauschehaar versehen? Na ja, ich bin nicht sehr bibelfest, hatte davon keine Ahnung, aber im Moment war mir außer Lucas eh alles egal. "Nicht deswegen", sagte Lucas und fuhr mit den Fingerspitzen über meine Hand, die auf der Tischplatte ruhte. Und hinterließ ein Gefühl zwischen Gänsehaut und Brandwunde. "Sie raucht verdammt viel. Mindestens zwei Schachteln am Tag! Daher hat sie ne Stimme wie ein Reibeisen." "Und ihr wohnt hier alle zusammen?" "Toby und ich wohnen hier. Und der Stefan, aber der hat Semesterferien und ist seine Eltern besuchen. Amelia ist zwar ganz nett, aber zum Glück wohnt sie nicht bei uns, nur ab und zu übernachtet sie mal hier.", erzählte Lucas, sah mir dabei unverwandt in die Augen. Er machte mich nervös. Ob er es wusste? Konnte man es mir ansehen? Und was, wenn das für ihn einfach nur ein Scherz ist? Um mich abzulenken sah ich mich noch einmal gründlich um. "Ist echt toll hier. Vor allem so groß, da könnte meinereiner richtig neidisch werden!" "Willst du auch hier einziehen?" Mein Herz setzte aus. Ich schwöre, mindestens zwei Herzschläge lang konnte es sich nicht entscheiden zwischen ganz aufhören oder galoppieren. Es entschied sich für letzteres, pumpte fleißig Adrenalin durch meine Blutbahnen. Meinte er das ernst? "Siehst du das dort oben? Über dem Kniestock?" fragte er und ich folgte seinem Blick zu einer kleinen Leiter, die bis unter den Dachstuhl und zu einer Art dämmrigen Höhle führte. "Dort gibt es noch ein Gästebett." Sein Grinsen sprach Bände. Er hatte es also nicht ernst gemeint. "Sieht gemütlich aus, wenn ach etwas dunkel", erwiderte ich ganz cool. Yeah, ich hatte die Situation voll im Griff! Ich bin der größte!! ... Vollidiot, dass ich dachte er meint das ernst. "Wenn du willst, bauen wir dir eine Lampe ein", flachste Lucas jetzt und das ärgerte mich. Jetzt kam wieder dieser Nonsensequatsch, auf den ich heute echt kein Bock hatte. Da wusste man nie, woran man war. Er schien zu spüren, das ich nicht wirklich amüsiert war, denn er wurde wieder ernst. "Zu dritt ist es wirklich praktisch. Alleine kannst du dir so etwas heutzutage doch gar nicht leisten." Eine Weile beobachteten wir Toby und Amelia bei der Arbeit. Dann spürte ich, wie Lucas mich intensiv betrachtete und mir wurde heiß und kalt zugleich. 'Verflixt, wenn mein Herz weiter so rast, krieg ich doch noch nen Herzkasper. Ob er wohl den lauten Herzschlag hören kann? Quatsch, Mandy, jetzt spinnst du echt!' "Du siehst einzigartig gut aus", bemerkte er. "Findest du?" Shit! Was blöderes fiel mir natürlich nicht ein?! Gott, was dachte er jetzt bloß von mir? Aber was sollte man schon sagen, wenn man so etwas zu hören bekommt? Ich werde schließlich nicht täglich von Komplimenten überschüttet. Bevor ich noch etwas hinzufügen konnte kamen leider auch schon Toby und Amelia zu uns. "Hi", sagte Amelia und ihre Stimme klang wirklich wie ein Reibeisen. "Das ist Mandy", stellte Lucas mich vor. "Ah, aus Italien", grinste Toby und nickte mir zu. "Warum hast du dieses hübsche Mädchen denn nicht schon früher hergebracht? Man, mit ihr als Model könnte man supertolle Aufnahmen machen! Auch wenn sie Obenrum ein bisschen flach ist, aber das kann man ja optisch ein wenig ändern. Und sie sieht auch richtig zutraulich aus. Hätte ich nicht gedacht, am Telefon klang sie eher wie eine verärgerte Raubkatze." Toby schien voll in Fahrt zu sein und ich war puterrot im Gesicht. "Äh, Toby, Mandy ist der kleine Bruder von meinem Kumpel Peter. Ich hab dir doch schon mal von ihm erzählt, oder?" Lucas konnte sich ein Grinsen auch nicht ganz verkneifen. "Oh." Pause. Dann: "Willst du mich verarschen? Das ist nie im Leben ein Kerl! Kein Kerl kann so niedlich sein! Schau dir doch mal dieses Gesicht an! Und die Figur, kein bisschen männlich!" Na toll. Ich wusste, wie ich aussah, da brauchte er mich nicht auch noch beschreiben. Ich wollte ihn schon unterbrechen, als er mit einem gespielt Unschuldigem Grinsen auf mich zu kam. "Aber ich kenne da eine ganz einfache Art, schnell und schmerzlos, um das zu überprüfen." Ehe ich reagieren konnte hatte er mich am Handgelenk gepackt und vom Stuhl hochgezogen. Völlig verdattert bemerkte ich, dass er sich gerade an den Knöpfen meines Hemdes zu schaffen machte, als Lucas ihn auch schon grob weg stieß. Scheiße, der wollte mir echt an die Wäsche!! Gott, wo bin ich hier nur gelandet? Wie hielt Lucas das hier nur aus? Entgeistert starrte ich auf Toby, der immer noch dämlich grinste. "Alter Perversling!", schimpfte Lucas, schien das aber nicht sonderlich ernst zu meinen. Na toll, dem gefiel es wohl, wenn sich jemand dermaßen an mich ranschmeißt?! "Vergraule mir Mandy nicht", fügte er mit einem Seitenblick auf mich, den ich beim besten Willen nicht deuten konnte, hinzu. Amelia hatte die 'Unterhaltung' bis jetzt kommentarlos verfolgt und zündete sich nun eine Zigarette an. Keiner interessierte sich dafür, was sie dachte oder tat. "Los jetzt, geh lieber wieder fotografieren!" Doch Toby dachte nicht daran. "Hey, Mandy, willst du mal die Fotos sehen, die ich von Amelia gemacht hab?" Ich wollte und wollte dann doch wieder nicht. Ohne was zu sagen streckte ich ihm auffordernd meine Hand entgegen, in die er einen Stapel Polaroidaufnahmen drückte. Die Fotos zeigten viel unbekleidetes Fleisch, alles in Farbe. Es kam mir vor, wie die Auslage eines Süßwarenladens, die nur das 'Beste' anpries. Und raffinierte Perspektiven hatte Toby gewählt, ich muss schon sagen. Zum Beispiel direkt von oben in Amelias Ausschnitt. Gestochen scharf, in jeder Hinsicht, konnte man doch sogar die feinen Schweißperlen auf ihrer Haut erkennen. Auf einem anderen Bild klebte das weiße, beinahe durchsichtige Oberteil hauteng an ihr und man konnte perfekt die Rundungen ihrer Brüste erkennen. Toby hatte wohl viel für große Brüste übrig. "Hier, die musst du dir auch noch anschauen!" Der Fotograf schob mir einen anderen Stapel Fotos zu. Mehrere Mädchenpopos in Tanga und mit Strapse streckten sich einem entgegen. Ich fand die Pose abartig. Wie konnte sich jemand so fotografieren lassen?? "Einfach obszön!", kam es von Lucas. Da konnte ich ihm nur zustimmen. "Was heißt hier obszön! Das ist Kunst", ereiferte sich Toby, "Kunst am lebenden Objekt!" Ich schob ihm die restlichen Bilder ungesehen zurück, mir war die Lust darauf vergangen. Was interessierten mich schon Mädchenhintern oder Brüste? Da gab es doch was viel besseres. Gegen das Bild, das jetzt vor meinem inneren Auge erschien, konnte ich nichts unternehmen, ehrlich, ich war total machtlos!! Toby klopfte Amelia leicht auf die Schulter: "Los Schatz, wir müssen weiter machen!" Dann ging er zur Stereoanlage und drehte den Techno wieder auf. Der Boden dröhnte, die Wände zitterten und mich hätte es nicht gewundert, wenn das Dach plötzlich abheben würde. "Wie hältst du das nur aus?", brüllte ich Lucas zu und beugte mich dabei zu ihm. 'Hmm, er riecht richtig gut. So männlich...' "Es ist nicht immer so wie heute! Manchmal ist es auch ganz still, aber ehrlich gesagt, freut es mich, wenn es wenigstens etwas laut ist, dann ist Leben in der Bude und das tut gut." Was versteht er unter 'etwas'? "Na ja, wenn du meinst... Und die unter euch? Wie finden die das?" "Unter uns wohnt Maria. Die hat keinen Mann, dafür drei Gören und ist Spanierin. Sie ist vollkommen okay, die Musik stört sie nicht. Ab und zu laden wir sie mal ein und ab und zu putzt sie mal unsere Wohnung durch." Amelia war gerade dabei, sich umzuziehen. Hier, mitten im Wohnzimmer, umgeben von drei Jungs. Und es schien ihr nichts zu machen. Obwohl sie echt einmalig große Brüste hatte, trug sie keinen BH und Toby starrte sie ungeniert an. Hatte die denn kein Schamgefühl? Man, was Lucas hier zu sehen bekam, frei Haus und gratis und dann sollte er schwul sein? Ich glaubte der Story meines Bruders immer weniger. Schon allein die Sache mit dieser Sängerin... Konnte es nicht eher sein, das Lucas, wenn überhaupt, bi war? Mitten in meine Überlegungen hinein nahm mein Gedankenobjekt mich an der Hand und sagte: "Komm, ich zeig dir noch die restlichen Zimmer." An der ersten Tür wollte er mich vorbeiziehen: "Hier brauchst du nicht reinsehen!" "Warum nicht?" Jetzt war ich neugierig und befreite mich aus seinem sanften Griff. Ich öffnetet die Tür und steckte meinen Kopf hinein. Es war die Küche. Das konnte man allerdings nur an den Stapeln dreckigen Geschirrs erkennen, die sich überall befanden. "Na ja, bräuchte mal wieder ein bisschen Pflege", meinte Lucas und stand so dicht hinter mir, dass sein Atem im Nacken kitzelte und ich seine Wärme spürte. "Kein bisschen übertrieben!" konnte ich ihm nur beipflichten. Es war echt einmalig. Das die Geschirrtürme überhaupt noch standen, war ein kleines Wunder der Schwerkraft. Sah irgendwie aus wie abstrakte Kunst und das sagte ich ihm auch. "Findest du?" Er lachte unsicher. "Und wie lange werdet ihr das so aufbewahren?" "Bis jemand kommt und sauber macht", sagte Lucas unschuldig. "Manchmal kommt eine gute Freundin, Sandra, die kann das echt gut und manchmal kocht sie dann auch." Schon wieder eine neue Freundin. Die lebten hier ja beinahe wie die Paschas. Sandra spült das Geschirr und kocht. Maria putzt das Wohnzimmer. Und Amelia stillt ihre Sehnsüchte, in dem sie ihre Möpse sehen lässt. Mein Gott, war ich froh, das ich kein Mädchen bin, nicht zu ihren Freundinnen gehörte und man somit nichts dergleichen von mir erwartete! Ich zog meine Nase aus der Küche, in der es offengestanden nicht gerade umwerfend roch. Oder vielleicht doch, allerdings im negativen Sinne. "Willst du ne Banane?" Lucas hatte sie gerade auf der Anrichte entdeckt und sie war echt das einzige in der Küche, das noch neu und unverbracht und genießbar aussah. "Nein, ich mag keine Bananen." "Hätte ich gewusst, dass du kommst, hätte ich sauber gemacht." Aha, schien ihm wohl doch ein wenig peinlich zu sein, mir diesen Anblick geboten zu haben. Doch da zeigte sich ein schwarzer Katzenkopf im Türspalt und die Küche war Vergangenheit. "Eine Katze habt ihr auch?" "Das ist Rudi. Der hält sich am liebsten in meinem Zimmer auf", erzählte Lucas. "Dann gibt es da noch Richard, aber wo der ist, weiß ich grad nicht, hab ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen." Lucas und ich gingen in sein Zimmer. "Wo kann er denn sein? Er kann doch hier nicht ins Freie, oder?" Katzen mochte ich schon immer und die Tiere schienen auch keine Abneigung gegen mich zu haben, denn sobald ich auch nur einer übers Fell strich fing sie an zu schnurren. "Oh doch, wenn mal ein passendes Fenster offen ist, gehen die beide auf die Dächer." "Na, vielleicht ist dann draußen eine Katze rollig", fiel mir ein. Konnte ja sein, Tier dachten schließlich auch nur an drei Dinge: Fressen, Schlafen und Sex. Lucas machte ein verschmitztes Gesicht. "Keine Chance für die Katze! Rudi und Richard sind nämlich schwul." Shit, ob ich wollte oder nicht, mein Herzschlag beschleunigte sich schon wieder und eine leichte Röte legte sich um meine Nasenspitze. Gab es schwule Katzen oder wollte er mich nur verarschen? Aber das war *die* Gelegenheit, ihn darauf anzusprechen. "Und du? Wie ist das mit dir?" Lucas zog heftig die Tür hinter uns zu und lehnte sich dagegen. Oh, oh, Fluchtweg abgeschnitten. Jetzt saß ich in der Falle wie ein Vogel im Käfig. Mist. "Hör mal, Mandy, woher hast du das überhaupt?" Er sah mich fest an und wartete und ich konnte spüren, dass es ihm total ernst war. "Ich höre!" "Ich hab es von Peter, ist aber schon ein Weilchen her, zwei Jahre oder so. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern." "Er hat also mit dir über mich gesprochen. Und was genau hat er gesagt? Erinnerst du dich daran?" "Dass du schwul seist, mehr nicht." Mir war unbehaglich zu mute. Stimmte das also doch nicht. Toll, dann hatte ich ein großes Problem. Pah, das war ja noch untertrieben, es war riesengroß! Eine Zeit lang war es still im Zimmer und ich wünschte mir auf einmal, ich wäre nicht zu ihm gekommen. Dann wären meine Träume wenigstens nicht jetzt schon so grausam zerstört worden. Ich dachte gerade darüber nach, dass ich nun wohl nie herausfinden würde, ob seine Lippen so weich waren, wie sie aussahen, als er plötzlich sagte: "Und du? Was glaubst du?" Ein dringlicher Ausdruck stand in seinen Augen. "Ich kümmer mich nicht um Gerede, mir ist das total egal!" Lüge!! Aber ich konnte ihm ja nicht sagen, dass ich gehofft hatte, das er schwul sei. Jedenfalls nicht, solang er von sich aus nichts sagt. "Wirklich?" Ich fühlte mich wie in einem Kreuzverhör. Verdammt, ich hatte schließlich nichts gemacht, außer ein paar schmutzig-feucht Träume war da nix gewesen!! Aber das konnte er ja nicht wissen. "Und wenn ich es wäre? Ich meine, wie wäre das dann für dich?" Innerlich hielt ich die Luft an, war mir nicht sicher, ob ich schon in jubel ausbrechen konnte, äußerlich zuckte ich ruhig und gelassen mit den Schultern. "Wär mir egal, echt. Für mich würde sich nichts ändern, du wärst für mich Lucas, nicht mehr und nicht weniger." Mann, ich wusste nicht, dass ich so gut lügen und schauspielern konnte. Vielleicht sollte ich später ans Theater. Meine Handflächen waren feucht und ich schob sie lässig in die Hosentaschen. 'Ganz cool, nur nichts anmerken lassen!' Er nickte nur. Bilde ich mir es ein oder war er ein bisschen enttäuscht? Er ging an mir vorbei, zum Fenster und sah hinaus. Er stand mit dem Rücken zu mir und ich konnte sehen, dass er breite Schultern hatte, wie gemacht um sich daran anzulehnen. Dann sah ich mich erst mal um. Ein Schreibtisch, ein Bett und jede Menge Bücher- und Zeitschriftenstapel. Sein Zimmer war nur ein wenig größer als meins. Wir schwiegen immer noch. Ich lockte Rudi zu mir, hob ihn hoch und setzte mich auf den Schreibtischstuhl. Während ich den Kater kraulte beobachtete ich Lucas. Hätte ich doch nur nicht gefragt! Andererseits, wenn er wirklich schwul war, warum benahm er sich dann so komisch? Wollte er nicht, dass ich das glaubte? Wenn ja, warum sollte ich es denn nicht wissen? "Bist du mir böse?" fragte ich schließlich. "Nein", er drehte sich um, die Hände in den Hosentaschen versenkt. "Ich mag es nur nicht, wenn Leute, die man für seine Freunde hält über einen herziehen." Tja, was sollte ich dazu sagen. Ich kraulte also den behaglich schnurrenden Kater, sah Lucas an und schwieg. Ich weiß nicht genau, wie lange wir so dastanden bzw. saßen, aber langsam wurde mir unwohl. Außerdem sollte ich schleunigst nach hause, Mama machte sich bestimmt schon wieder Sorgen. "He, also, weswegen ich eigentlich hier bin, hast du nun Flickzeug für mein Rad?" "Wie? Ach so, ja klar! Warte kurz, ich helf dir dabei." Er nahm mir den Kater ab und setzte ihn auf die Fensterbank. Dann nahm er mich wieder am Handgelenk und so gingen wir aus dem Zimmer. Toby und Amelia standen untätig mitten im Atelier, rauchten und palaverten. Als wir vorbei liefen rief Toby: "Na, ihr beiden Süßen, habt ihr euch auch gründlich beschnuppert?" Ehe ich es verhindern konnte, errötete ich. Verdammt, warum eigentlich wurde ich wegen jedem Mist rot?? Aber bedeutete Tobys Kommentar nicht, das Lucas doch auf Männer stand? "Geht dich nichts an!", sagte Lucas kurz angebunden und bevor ich mich von den beiden verabschieden konnte, waren wir schon zur Tür raus. *** Mein Fahrrad stand einsam und verlassen unten im Hauseingang. "Wart kurz, bin gleich wieder da." Mit diesen Worten verschwand Lucas, wahrscheinlich in Richtung Keller. Die Stelle, an der er mein Handgelenk festgehalten hatte kribbelte wie verrückt. Da kam er auch schon wieder, leicht außer Atem, und schwenkte lachend einen Eimer Wasser und das grüne Schächtelchen mit dem Flicksach. "Hier!" Gemeinsam machten wir und vor der Tür an die Arbeit und nach zwanzig Minuten war mein Fahrrad wieder einsatzfähig. "Danke!" Ich strahlte ihn an: "Alleine hätte ich dafür mindestens eine Stunde gebraucht!" Ich war in solchen Dingen halt total trottelig... "Kein Problem, hab ich gern gemacht." Ich half Lucas, die Sachen aufzuräumen und schließlich standen wir im Hauseingang. "Tja, also dann", murmelte ich unbestimmt. Gerade wollte ich mich vollends verabschieden, als Lucas zärtlich eine meiner Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. "Warum violett? Sie waren doch so schön." Erschrocken sah ich ihn an. Gefiel es ihm nicht? "Gefällt es dir nicht?" "Doch, aber deine Originalhaarfarbe hat mir noch besser gefallen. Aber es ist ja nicht für immer." Seine Augen. Sie waren echt einzigartig. Dieses braun erinnerte mich ein wenig an dunklen, flüssigen Honig. Und sie kamen eindeutig näher. Fast automatisch machte ich einen Schritt nach hinten, bis ich mit dem Rücken an die Türe stieß. Wie gebannt sah ich in seine Augen. "Musst du schon gehen?", fragte er, rieb seine Nase ganz sanft an meiner. Meine Knie waren butterweich. Ich hatte angst, meine Stimme würde versagen, also nickte ich nur. "Schade. Aber versprich mir, dass du wieder kommst!" Wieder ein Nicken. Gott, war ich schon tot, träumte ich oder was war hier los? Das konnte doch unmöglich wahr sein?! Ich bekam erhebliche Probleme bei meiner Luftzufuhr, je näher er mir kam. Dann gab mir Lucas den von mir heißersehnten Kuss. Erst lagen seine Lippen nur wie ein Hauch auf meinen, nachgiebig und weich, fast schon unentschlossen. Ich spürte, wie seine Zunge langsam und zärtlich über meine Unterlippe glitt, sich sanft Einlass in meinen Mund verschaffte um ihn neugierig zu erkunden. Es durchfuhr mich wie ein Stromschlag, als unsere Zungenspitzen das erste Mal aufeinander trafen, sich wieder trennten nur um gleich darauf wieder dieses Gefühl in mir auszulösen. Alles um uns herum vergaß ich, es gab nur noch Lucas und dieser süße Kuss. All meine Sinne waren nur auf ihn gerichtet. Es wäre mir total egal gewesen, wenn jetzt neben uns eine Bombe hochgehen, ein Feuer ausbrechen oder eine Fußballmannschaft erscheinen würde. Alles was zählte war dieser Moment, nur wir beide. *** Ende Teil 6 Bekomm ich C&C?? Sorry, der Teil ist ein wenig kurz ausgefallen, aber ich dachte, hier wäre eine sehr gute Stelle, um einen Schnittpunkt zu machen^_^


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