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Therapiestation
von Ōe Kenzaburō

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Amrita-Cover

Originaltitel: chirio to
erstmals erschienen 1990
1995 in Deutschland
in der edition q Verlags GmbH, Berlin,
ins Deutsche übertragen
von Verena Werner,
234 Seiten,
ISBN: 3-86124-298-2
19,40€

Vorab bitte ich schon mal um Entschuldigung für die vielen Anführungszeichen. Es ging leider nicht anders.

In diesem Buch wird eine düstere Zukunft konstruiert.
Nach Atomkriegen und menschenverschuldeten Katastrophen ist die Menschheit auf der Erde am Ende. Alle Ressourcen sind ausgeschöpft und die Atmosphäre ist verseucht. Um aber das kulturelle und wissenschaftliche Erbe des Menschen zu retten wird eine zweifelhafte Entscheidung getroffen. Ein Raumschiff mit einer Million "Erwählten" wir zu einer "neuen Erde" geschickt um dort eine neue Kultur aufzubauen. Zurück bleiben die vermeintlich Ungenügenden. Sie haben nun zu kämpfen mit Seuchen, Naturkatastrophen und vor allem mit ihren eigenen Zweifeln. Nach Prognosen soll nach einigen Jahren die Menschheit auf der Erde ausgerottet sein. Doch die Menschen überwinden ihren Versager - Komplex durch eine Wiederaufbaubewegung.
Paradoxerweise ist es hingegen den Erwählten nicht gelungen eine Existenz in ihrer neuen Heimat aufzubauen. Nach zehn Jahren kehrt das Schiff auf die Erde zurück.
Dort reißen sie sofort wieder die Herrschaft an sich. Um ihre Sonderstellung zu bewahren wird nun die Gesellschaft immer noch klar in "Erwählte" und "Zurückgebliebene" getrennt. So sind zum Beispiel "Mischehen" verboten.

Erzählt wird die Geschichte von Ritsuko, eine junge Frau die als keines Mädchen auf der Erde zurückgeblieben ist. Ihr Onkel hat die Wiederaufbaubewegung ins Leben gerufen. Sie verliebt sich in den Zurückgekehrten Saku. Er distanziert sich im Folgenden von den "Auserwählten" und beide fliehen in eine Kommune. Aber Sakus Vater will Ritsuko dazu zwingen auf eine Heirat zu verzichten...

Behandelt wird hier die gesellschaftliche Ausgrenzung einer Mehrheit und deren Ohnmacht dem gegenüber. Die Erwählten modellieren die Gesell- schaft nach ihren Bedürfnissen um und agieren so vollkommen an den Bedürfnissen der Menschheit vorbei.
Es ist schier unglaublich, dass die "Zurückgebliebenen" das so einfach mit sich machen lassen und so alles mühsam aufgebaute einfach aus den Händen gerissen bekommen, zudem es sich hier ja nicht um minderwertige Menschen handelt, sondern um den einige Milliarden starken Rest, in dem es sich durchaus um intelligente Leute handelt. Sie wurden nur nicht ausgewählt weil sie krank waren, nicht ganz zur intellektuellen Spitze gehörten oder sich einfach nicht derartig elitären Ideen fügen wollten beziehungsweise lediglich Durchschnittsmensch oder Kind waren. Die Unterschiede waren teilweise winzig.

Dieser Science-Fiction Roman ist vergleichbar mit Zukunftsvisionen wie "Schöne neue Welt" oder "1984". Es ist stilistisch keine typisch japanische Literatur.
Der Idealismus des Autors ist während des Lesens ständig spürbar was sich auch unmittelbar in der Konstruktion der Charaktere und der gesell- schaftlichen Umgebung in der Handlung niederschlägt. Die starken, nahezu schwarz-weiß wirkenden Kontraste zwischen den rigoros diktierenden Erwählten und der blinden Akzeptanz der "Zurückgebliebenen" (die Doppeldeutigkeit des Wortes ist wohl durchaus gewollt) sind aber sehr krass. Es ist zwar wahr, dass man immer nach Anleitung und und Bewertung einer "höheren Instanz" verlangt, wenn man sich außerhalb der Elite und damit unter Beobachtung fühlt, aber eine derartige Ergebenheit erscheint unglaublich, besonders in so kritischen Zeiten. Genauso ist das komplette Fehlen eines moralischen Bewusst- seins auf der auserwählten Seite, wie sie geschildert wurde, fraglich.
Beim Lesen stellt man durchaus Parallelen zu unserer Gesellschaft fest, beziehungsweise zu deren Entwicklungsrichtung. Obwohl das Stilmittel der Übertreibung für Denkanstöße dann durchaus dienlich ist, wirkt dieses Buch zuweilen recht pauschal.

Emo
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