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Paradies im Meer der Qualen
von Ishimure Michiko

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Paradies im Meer der Qualen-Cover

Originaltitel: Kugai Jōdo
erstmals erschienen 1969

in Deutschland 1995 im Insel Verlag,
ins Deutsche übertragen von Ursula Gräfe,
364 Seiten (ohne Anmerkungen),
ISBN: 3-458-16725-0

Um die 60er Jahre herum grassierte um die Bucht von Minamata herum eine rätselhafte Krankheit, die vor allem Fischerfamilien befiel. Die Betroffenen erblindeten, erfuhren krankhafte Verformungen der Gliedmaßen und starke Krämpfe. Viele starben und die die lebten blieben nur noch ein Schatten ihrer selbst, ohne eine Chance auf Heilung.

Hierbei handelt es sich nicht um einen Roman, sondern um die Nacherzählung einer wahren Begebenheit. Wenn ihr aber noch nie davon gehört habt, ist das aber nicht verwunderlich, denn dieses Krankheitsaufkommen wurde lange nicht ernst genommen und die Beschäftigung der Medien mit dem Thema erfolgte in Europa wohl nur in den späten Sechzigern und Anfang der Siebziger Jahre. Heutzutage hört und liest man gar nichts mehr davon, obwohl es Grund genug gibt.
Die Erkrankung erfolgt durch eine Quecksilbervergiftung nach dem Genuss von verseuchtem Fisch und Seepflanzen. Die Ursache lag in einer an der Minamata-Bucht angesiedelten Firma namens Chisso, die ihre Abfälle ins Meer leiteten.

Das Buch selbst ist allerdings kein reines Sachbuch. Es hat fiktive Elemente und erscheint mehr als Erzählung. Es beginnt mit dem Bild eines Jungen, der allein auf einem Baseball Feld steht und mit einem Stock den Boden nach einem Stein absucht, den er als Ball verwendet. Er ist blind.
Hier wird der Leser das erste mal mit der Krankheit konfrontiert. Ishimure behält dabei die ganze Zeit einen sehr ruhigen Erzählstil bei. Sie sucht nicht nach Effekten, sondern schildert sachlich, manchmal wissenschaftlich und gibt den Menschen viel Zeit ihre eigenen Geschichten zu erzählen, was sich an den ausgedehnten Passagen in wörtlicher Rede bemerkbar macht. Dennoch bleibt man davon nicht unberührt.
Es ist auf alle Fälle ein wichtiges Buch, besonders innerhalb der in Deutschland bereits erschienenen japanischen Literatur, weil es sich eines Themas annimmt, welches gesellschaftlich sehr brisant ist, was mir bei japanischen Büchern nur leider sehr selten begegnet ist. Das mag auch an einer gewissen Verdrängungsmentalität liegen, denn der Autorin wehte bei und nach der Arbeit an diesen Buch aus ihrem näheren Umfeld, ihrer Familie und auch aus Teilen des japanischen Establishments ganz schön der Wind ins Gesicht.

Leider ist "Paradies im Meer der Qualen" nicht mehr erhältlich, aber in Antiquariaten und online kann man es noch auftreiben. Das Suchen lohnt sich auf alle Fälle und vielleicht wird es ja irgendwann noch einmal aufgelegt. Es wäre sonst einfach zu schade um dieses wunderbare Buch.

Emo
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